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Blockchain

Welche Rolle spielen Stablecoins im Finanzmarkt der Zukunft?

Stablecoins sind das Gold des digitalen Zeitalters – sie versprechen Markteffizienz und Preisstabilität. Aber wem schenken die Bürger ihr Vertrauen: Dem digitalen Zentralbankgeld oder den privatwirtschaftlichen Stablecoins?

April 30, 2021
7
min read
Tim
Janssen
CTO | CBO

Kryptowährungen bieten eine Reihe von Vorteilen. Einer der wichtigsten ist, dass keine zwischengeschaltete Institution als Intermediär erforderlich ist. Zahlungen können von jedermann einfach und schnell wie nie zuvor in jeden Winkel der Welt versendet werden. Ein entscheidender Nachteil ist jedoch, dass Kryptowährungen oft starken Kursschwankungen unterliegen. Daher eignen sie sich weniger für den normalen Alltagsgebrauch. Um ihren Lebensunterhalt sicher regeln zu können, müssen Menschen sich darauf verlassen, dass ihr Geld und dessen Wert langfristig stabil bleibt.

Digitalwährungen für das 21. Jahrhundert – Central Bank Digital Currency oder Stablecoins?

Wie kann man die Vorteile einer Kryptowährung in das etablierte Geldsystem integrieren? Abhilfe gegen Unsicherheiten durch allzugroße Währungsschwankungen soll digitales Zentralbankgeld, sogenannte CBDCs (Central Bank Digital Currency), schaffen. Nationalstaaten oder Staatenverbünde wie die EU wollen damit neben dem physischen Geld (Fiatgeld) ein rein digitales Zahlungsmittel als zusätzlichen Standard etablieren. Eine digitale Landes- oder Unionswährung, die direkt von den Zentralbanken ausgegeben und verwaltet wird, könnte den Zahlungsverkehr einfacher, schneller und kostengünstiger machen. 

Damit treten die Zentralbanken in Konkurrenz zu privaten Anbietern wie zum Beispiel Bitfinex (bzw. Tether Limited) mit dem Stablecoin Tether. Bitfinex bietet schon heute Blockchain-basierte Stablecoins an, die Stabilität in den volatilen Krypto-Finanzmarkt bringen. Sie erreichen dies, indem sie an eine Fiatwährung wie zum Beispiel den US-Dollar gekoppelt sind. Es gibt auch Stablecoins, die durch andere Kryptowährungen gesichert sind. Dabei gibt ein Nutzer Kryptowährungen Deposit, diese werden technisch für den Zugriff gesperrt. Dies wird mit Hilfe von Smart Contracts sichergestellt, dass der Benutzer eine Sicherheit in Form von einer Kryptowährung hinterlegt hat. Danach werden dem Nutzer neue ‘geprägte’ Stablecoins ausgeliehen, als Beispiel sei hier der Maker (Dai) genannt.

Stablecoins werden als Mittel zum Zweck benutzt, um bei Investitionen die Lücke zwischen Krypto- und Fiat-Währungen zu überbrücken. Dabei erhöht die Nachfrage nach einem Stablecoin bei physischer Hinterlegung entsprechend auch die Nachfrage des Basiswerts, in den meisten Fällen des US-Dollars. Die Einflussnahme auf den Devisenmarkt findet aktuell nur auf Basis von Trading, Staking oder Token Sales statt. Erst durch den Einsatz wie bspw. Facebooks Diem würde auch realwirtschaftlich Einfluss auf den Devisenmarkt bestehen. 

Überblick – die bekanntesten Stablecoins

Aktuell existieren knapp 200 Stablecoin Projekte. Die bekanntesten sind:

Tether (USDT) – 2014 ursprünglich unter dem Namen Realcoin gelauncht, und somit die älteste Stablecoin. Darüber hinaus ist sie eine der beliebtesten und wertvollsten. Tether existiert auf vielen verschiedenen Blockchains.

TrueUSD (TUSD) – Im Januar 2018 gelauncht, gekoppelt 1:1 an den US-Dollar, bis Oktober 2020 waren 400 Millionen ‘gesicherte’ Token im Umlauf. TUSD ist verfügbar auf der Ethereum Blockchain und der Binance Blockchain. 

USD Coin (USDC) – 2018 gelauncht, auch bekannt als Ticker USDC, gekoppelt 1:1 an den US-Dollar, zweitgrößter Stablecoin gemessen an der Marktkapitalisierung.

Diem (ehemals Libra) – von Facebook ursprünglich als neue digitale Währung geplant, sollen jetzt mehrere Kryptowährungen entstehen, jeweils gesichert in der jeweiligen Landeswährung. Diem sollte Anfang 2021 gestartet werden, lässt aber noch auf sich warten.

Digitaler Yuan – die digitale Staatswährung der chinesischen Zentralbank befindet sich aktuell im Testlauf mit Auszahlung am Geldautomat. Die Testläufe sind vorerst beschränkt auf entwickelte Großstädte und Ballungsräume.

Chancen und Risiken von Stablecoins am Beispiel Tether

Bis Ende des 20. Jahrhunderts existierte ein Goldstandard bei Währungssystemen. Bei dem Goldstandard existierte die Verbindung mit Gold als Hauptfaktor, bis dieses einstige Prinzip 1973 von Präsident Nixon kassiert wurde. Zu dem einstigen Prinzip zeigen Stablecoins Gemeinsamkeiten, wenn auch in Verbindung mit dem US-Dollar als Hauptfaktor.
Ziel ist es, mit Stablecoins eine Bindung aufzubauen, um die Volatilität am Krypto-Markt zu hemmen. Durch einen Vermögenswert als Reserve wird der Wert des Stablecoins gesichert. 

Zum Beispiel werden 1 Mio. USD hinterlegt und im Gegenwert von 1 USD 1 Millionen digitale Stablecoins ausgegeben. Theoretisch kann nun ein Benutzer eine Einheit des Stablecoins gegen eine Einheit des Vermögenswerts einlösen, der sie sichert. Ein Vermögenswert kann dabei Fiat, Edelmetall, Kryptowährung oder ein anderer Sachwert sein. 

So ist der ursprüngliche Stablecoin Tether gekoppelt an den USD. Tether sollte eigentlich dafür eingesetzt werden um schnell Geld zwischen Börsen zu bewegen. Hauptgrund dafür waren die Ausnutzung von Arbitragemöglichkeiten, d. h. die Minimierung des Verlustrisikos bei Finanzspekulationen. So sollte die Marktvolatilität vermieden werden, die für BTC und andere Krypto-Assets gilt. 

Schnell wurde Tether allerdings benutzt, um zum Beispiel Geld über Landesgrenzen zu bewegen – nicht immer auf legale Weise. So sendeten chinesische Importeure über Russland einen Millionen Dollar Betrag nach China, obwohl es strenge Kapitalkontrollen in China dafür gibt. Diese wurden dank den technischen Möglichkeiten des Stablecoins damit umgangen.

Tether, bzw. der Betreiber Bitfinex, steht auch wegen weiterer unseriöser Praktiken wie Kursmanipulation in der Kritik. Bitfinex und Tether sollen außerdem versucht haben, Liquiditätsengpässe durch unlautere Maßnahmen zu vertuschen. Bitfinex hat dabei nicht offengelegt, welche echten Reserven existieren bzw. noch keine Prüfung seiner Reserven veröffentlicht. In der Einigung mit der New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James wurde schließlich im Februar 2021 eine Zahlung von 18,5 Millionen zur Beilegung festgelegt. Außerdem sind jegliche Handelsaktivitäten in New York seitdem untersagt.

Stablecoins eignen sich überhaupt für den unproblematischen Gebrauch nur eingeschränkt, da ein erweitertes technisches Know-how erforderlich ist. Tether ist nicht gleich Tether – der Coin existiert auf unterschiedlichen Blockchains. Unbedarfte Nutzer können so beim Versenden von Tether-Token durcheinanderkommen, so dass ihr Geld beim Versenden in die falsche Wallet verloren geht. 

Wie stabil sind Stablecoins wirklich? 

Stablecoins sind kein Garant für Vermögenssicherung, sie sind genauso abhängig von nationaler oder globaler Diplomatie und grundsätzlich Machtverschiebungen im politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Sektor wie jede andere Währung auch. Durch Sanktionen oder Regierungswechsel, durch Haushaltsdebatten oder eine geänderte Geldpolitik herrscht durch die Bindung an Leitwährungen ebenso die Gefahr von Wertschwankungen. Grundsätzlich gilt: Der Stablecoin wird so stabil sein wie sein Vermögenswert, der Ihn sichert. 

Darüber hinaus gibt es einige Problematiken, die spezifisch Stablecoins betreffen. Eine davon ist – wie bereits im Beispiel Tether genannt – die fehlende Transparenz darüber, welche Reserven existieren und wo diese Reserven gehalten werden. Problematisch wird dies insbesondere, wenn der Emittent eines Stablecoins keine Lizenz vorweisen kann. Im schlimmsten Fall droht dann, dass der Stablecoin durch die verantwortliche Aufsichtsbehörde eingefroren wird. Ebenfalls ist durch die fehlende Transparenz nicht nachvollziehbar, ob am Ende jeder Stablecoin gegen einen realen Wert einzulösen ist, oder ob die Reserve tatsächlich kleiner ausfällt.

Fazit: Klare, nachvollziehbare Regeln für digitale Währungen statt Wild-West-Manier

Stablecoins sind einst als Innovation gestartet, haben sich aber über die Jahre in Widersprüche verwickelt, die stark am Image und an der Glaubwürdigkeit kratzen. Diese Tatsachen sind allerdings auch keine neuen Unbekannten. Im Gegenteil, es sind Problematiken, womit auch bestehende Währungen zu kämpfen haben. Allerdings bleibt nach wie vor das Misstrauen in jede Währungsalternative, die nicht hält, was sie verspricht. 

Am Beispiel des USD Coin (USDC) wird deutlich, dass die amerikanische Strafverfolgungsbehörde eine Hintertür im Stablecoin offen hält: Der USDC kann nämlich nach Verlangen der Strafverfolgungsbehörde eingefroren werden. Dies widerspricht allerdings dem Kredo der Blockchain „ohne Intermediäre“ und auch ohne den direkten Einfluss von Dritten z. B. Regierungen auskommen zu wollen. 

Doch wie realistisch ist dieser Anspruch? Würden nicht gerade diese Kontrollmechanismen zur Akzeptanz von Stablecoins beitragen? Sind in unserer Gesellschaft die Fragen nach Einlagensicherung, Haftung, Datenschutz und Kontrolle nicht essentiell geworden?

Eine Wild-West-Manier funktioniert nicht für den Einsatz in der Masse. Jede noch so innovative Technologie braucht die Kopplung an Recht und Gesetz, denn das ist unser Anspruch an eine funktionierende Währung. Der Verbraucher verlässt sich nämlich auf eine Einlagensicherung und stellt Ansprüche an Haftung und ggf. Schadenersatz. 

Wenn sich Woche für Woche der Wert unseres 10 Euro Scheins anpassen würde, positiv wie negativ, wäre die Akzeptanz und das Vertrauen in den Euro massiv geschwächt. Ja, auch der Euro unterliegt Schwankungen. Dennoch wird dieser durch bestimmte Mechanismen unterstützt, so dass wir seit vielen Jahren eine ähnliche Inflation und einen ähnlichen Geldwert haben. 

Vor- und Nachteile werden sich ergeben, wenn die ersten Central Bank Digital Currencies implementiert werden und zum Einsatz kommen. Dann wird sich zeigen, wie weit der Einfluss der Zentralbanken auf die Ausgestaltung und Implementierung der Ersatz-Digitalwährungen gehen muss, um Stabilität und Vertrauen zu garantieren.