Der Kunstmarkt im Wandel: Eine neue, digitale Epoche hat begonnen
Was früher „Der Schrei” von Edvard Munch war, ist heute „The Merge“ des NFT-Künstlers Pak: Erst belächelte und schlussendlich hoch angesehene Kunstwerke, die für zweistellige Millionenbeträge gehandelt werden. Doch während Edvard Munch als einer der bedeutendsten Wegbereiter der Moderne und Bahnbrecher für die expressionistische Richtung galt, wird aktuell noch angeregt darüber diskutiert, ob (oft anonyme) NFT-Künstler ähnliches bewirken werden. Erfahren Sie, welche Einflussfaktoren die Kunstwelt möglicherweise prägen und transformieren werden.
2021: Ein richtungsweisendes Kunstjahr
Der internationale Kunstmarkt hat sich in den vergangenen Jahren im Wesentliche aufgrund von drei Einflussfaktoren stark gewandelt: Die rasch fortschreitende Digitalisierung, die Corona-Pandemie sowie eine neue Klientel, die Kunst als Sachwertanlage begreift.
Vor allem die Blockchain-Technologie, die erst durch den Bitcoin eine enorme Bekanntheit erlangte, hat digitaler Kunst zum Durchbruch verholfen. Sogenannte Non Fungible Token (NFT) verkörpern ein digitales Kunstwerk auf der Blockchain und dienen gleichzeitig als Eigentumsnachweis. NFTs unterscheiden sich jedoch von anderen Blockchain-Token – zu denen auch Kryptowährungen zählen – vor allem dadurch, dass sie nicht ausgetauscht, geteilt oder durch identische Tokens ersetzt werden können. Sie bestehen aus einem oder mehreren Smart Contracts, die durch ihre Implementierung und Interaktion deren Einmaligkeit sicherstellen. So ist es möglich, Digitalkunst über viele Onlinekanäle schnell und relativ sicher zu handeln.
Die NFT-Technologie kam genau zur richtigen Zeit, denn aufgrund der Corona-Pandemie blieben viele Galerien monatelang geschlossen, Ausstellungen wurden verschoben und Messen abgesagt. Digitale Galerien, und NFT-Plattformen erlebten in dieser Zeit einen wahren Boom, wie aus den Daten des Art Market Watch Report der Kunstexpertin Dr. Ruth Polleit Riechert deutlich wird:
Obwohl die gesamten, geschätzten Umsätze am weltweiten Kunstmarkt im Jahr 2021 gegenüber 2020 angestiegen und sogar positiver ausfallen sind als im Jahr 2019, so haben doch mindestens 30 Prozent der Kunstevents ihren Betrieb seit 2019 eingestellt. Nur High-End-Galerien konnten im Bereich der hochpreisigen Kunstwerke von über fünf Millionen Dollar einen Zuwachs verzeichnen. In Deutschland rechnen überdurchschnittlich viele Händler (19 Prozent) sogar mit einer Verschlechterung im Jahr 2022.
Im Gegensatz dazu hat sich die Zahl der Online-Verkäufe im Jahr 2020 mit 12,4 Milliarden Dollar gegenüber 2019 verdoppelt. Im Jahr 2021 stieg der Online-Umsatz um weitere sieben Prozent auf geschätzte 13,3 Milliarden Dollar.
Vor allem junge Sammler, die teils ihre ersten Kunstankäufe tätigten, gaben hohe Summen aus, wie der UBS-Report The Art Market 2021 untermauert: Insgesamt halten fünf Prozent der Millennial-Sammler mehr als 30 % ihres Vermögens in Kunst – das sind zehn Prozent mehr als die Generation X-Vergleichsgruppe und mehr als das Doppelte der Babyboomer.
Laut Daten des Hiscox online art trade report 2021 gaben drei von zehn (31 Prozent) jungen Sammlern an, dass sie ihr erstes Kunstwerk online gekauft haben. Fast die Hälfte (47 Prozent der Sammler, die vor weniger als drei Jahren mit dem Kunstkauf begonnen haben) sagten, dass sie ihre ersten Kunstwerke im Internet gekauft haben.
Mehr Kommerz als Kunst?
Daraus lässt sich schließen, dass der Online-Kunstmarkt für neue Kunstkäufer, von denen viele noch nie eine Galerie oder eine Auktion betreten haben, zu einem Einstieg in die Kunstwelt geworden ist. Doch ist das Motiv der neuen Kundschaft Kunstgenuss oder die Suche nach alternativen Sachwert-Investments als „sicherer Hafen” in turbulenten Finanzmarktphasen wie dieser?
Klar ist: Kunst ist ein ästhetisches Erlebnis. Darüber hinaus aber auch ein Statussymbol und Spekulationsobjekt. Denn mit Kunst lässt sich hervorragend Geld verdienen – wenn man das richtige Händchen oder gute Berater hat.
Der aktuelle Hiscox online art trade report deutet beispielsweise darauf hin, dass die Investitionsrendite der Hauptgrund für den NFT-Kauf ist: Rund acht von zehn NFT-Käufern geht es eher um Rendite als um Kunst. Für so gut wie alle, die mindestens 22.500 Euro ausgaben, steht die Spekulation auf eine Wertsteigerung im Vordergrund.
Darüber hinaus weisen die Ergebnisse der Studie auf eine zunehmende Konvergenz zwischen dem traditionellen und dem Online-Kunstmarkt hin. 27 Prozent aller Käufer planen, in den kommenden zwölf Monaten ein Kunstwerk im Internet zu erwerben.
NFT und Digitalkunst läuten neue Epoche ein
Im 15. Jahrhundert veränderte die Drucktechnik von Johannes Gutenberg die (Kunst-)Welt. Ab diesem Zeitpunkt konnten Texte und Bilder vervielfältigt und in der ganzen Welt verbreitet werden. Es folgten die Etablierung kommerzieller und günstigerer (Farb-) Druckmethoden, die Digitalisierung und das Internet, wodurch Kunstinteressenten, Kunstschaffende, Galerien und Auktionshäuser eine immer engere Vernetzung aller Beteiligten kreierten.
Die nun aufstrebende, digitale Kunst wird physische Kunst wahrscheinlich nicht ersetzen, sondern ergänzen. Denn Gemälde an der Wand sind und bleiben ein Statussymbol, das nicht einfach durch NFT Dateien ersetzt werden wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der traditionelle Kunstmarkt und der relative neue NFT Markt verzahnen.
Dies zeigt ein Beispiel des renommierten US-Künstlers Jeff Koons. Im Rahmen seines NFT-Debüts möchte einer der teuersten, zeitgenössischen Künstler noch in diesem Jahr 125 Skulpturen ins All schießen lassen, um sie dauerhaft auf dem Mond zu platzieren. Koons will die Skulpturen als NFT vermarkten und einen Teil der Einnahmen an die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen" spenden.
In einem Tweet erklärte Jeff Koons, was hinter dem Projekt „Moon Phases" steckt: Die Erforschung des Weltraums hat uns eine Perspektive für unsere Fähigkeit gegeben, weltliche Beschränkungen zu überwinden. Mit einer Auswahl seines Lebenswerks auf dem Mond verlasse er den Globus, seine Kunst werde universell und für alle Menschen erreichbar.
In gewisser Weise können Jeff Koons Werke schon jetzt von einem breiten Publikum erworben werden: Fans und Investoren können bereits ab 500 Euro digitalisierte Anteile realer – also physisch existenter – Skulpturen wie „Red Diamond Trio” oder „Balloon Animals” erwerben und von deren vielversprechender Wertentwicklung profitieren.