Finanzdienstleistungen: Bankkunden erwarten mehr
Onlinebanking, Mobile-Payment, Trading-Apps: Die Digitalisierung treibt die Transformation in der Finanzbranche im Rekordtempo voran und führt zu neuen Nutzerbedürfnissen. Doch welche Services und Produkte erwarten deutsche Bankkunden tatsächlich von Geldinstituten?
Eine Hausbank ist nicht mehr zeitgemäß
Früher galt in der Regel, dass Kunden die meisten Produkte bei der Bank haben, die ihr Gehaltskonto führt - der Hausbank. Doch mit der fortschreitenden Digitalisierung traten Direktbanken auf den Plan, die mit attraktiven Konditionen und teils ausgereifteren Online- und / oder Mobile-Banking-Apps Kunden zur Eröffnung eines weiteren Kontos oder Depots motivierten. Infolgedessen sind Konten, Depots, Darlehen oder Kredite bei mehreren Banken heute eher die Regel, als die Ausnahme. Eine Bankkundenstudie bestätigt dies: Immerhin jeder zweite Befragte hatte mehr als eine Bankverbindung.
Der Trend „illoyaler” Bankkunden resultiert aus deren Unzufriedenheit mit der Hausbank bzw. deren Angebot, wie eine aktuelle Studie zeigt: Nur noch knapp die Hälfte der Bankkunden ist generell zufrieden, bei der anderen Hälfte der Befragten ist die Stimmung zumindest gekippt. Ein Fünftel aller Umfrageteilnehmer plant bereits den Wechsel. Besonders hoch sind Unzufriedenheit und Wechselwilligkeit bei den Jüngeren.
Viele Kunden verstehen die Positionierung, die Preisgestaltung und das Leistungsversprechen der eigenen Bank nicht. Zudem klafft eine enorme Lücke zwischen ihren eigentlichen Bedürfnissen und dem tatsächlichen Angebot. Dabei verlangen Bankkunden nichts Unmögliches. Sie wollen eine qualitativ gute und individuelle Beratung, einen umfangreichen und kompetenten Service, eine transparente Preispolitik und ein breiteres, zugängliches Produktangebot.
Kundenwünsche: Software, Service, Produktvielfalt
Als Anfang der 1970er-Jahre die ersten Geldautomaten in Deutschland aufgestellt wurden, war das eine kleine Revolution auf dem Finanzmarkt. Denn neben der Verbesserung des Bankservices durch die Möglichekeit, Bargeld rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche abzuheben, erfüllen Geldautomaten noch weitere Zwecke. Sie reduzieren die Personal- und Verwaltungskosten, entlasten die Bankmitarbeiter und minimieren das Fehlerrisiko durch die Eliminierung des „Faktor Mensch“. Ein großer Vorteil der Geldautomaten war auch, dass Kunden plötzlich bei verschiedenen Kreditinstituten Geld abheben und verschiedene Self-Service-Angebote nutzen konnten. Erst nur deutschlandweit, später sogar in den meisten Ländern rund um den Globus.
Heute ist es selbstverständlich, dass wir nahezu überall Geld abheben oder mit Karte bezahlen können. Doch viele Bankkunden wollen mehr: Mobile Banking, Finanz-Apps, ein breiteres, flexibleres Produktangebot und einen 24/7-Service via Telefon, Mail oder Chat.
Trotz technologischer Neuerungen sollen aber auch traditionelle Werte wie Sicherheit, eine individuelle Beratung und ein persönlicher Ansprechpartner berücksichtigt werden. Keine einfache Aufgabe für Geldinstitute, die in Zeiten von Niedrigzinsen und gleichzeitig wachsender Konkurrenz durch Onlinebanken (z.b. N26) oder Trading-Apps (z.B. Robinhood) in zukunftsfähige Geschäftsmodelle investieren müssen – dies aber nur zögerlich tun.
Eine Studie zeigt deutlich, dass die Banken die Erwartungen der Kunden in Bezug auf die Bereitstellung digitalisierter Dienstleistungen nicht erfüllen. Im gegenwärtigen „Plattformzeitalter” wollen die meisten Kunden Bankprodukte digital anfordern und verwalten. Idealerweise in einer einzigen, übersichtlichen App, die alle ihre finanziellen Bedürfnisse abdeckt und bei Bedarf den passenden Beratungsservice bietet. Darüber hinaus wünschen sich Kunden die Verwaltung von Girokonto, Tagesgeldkonto, Wertpapierkonto von unterschiedlichen Banken in einer einzigen App (Multibanking). Für nahezu alle Befragten (96 Prozent) ist beim Online- oder Mobilebanking Sicherheit der wichtigste Faktor zur Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit einer Bank. Gleich danach folgt eine intuitive Benutzeroberfläche in der App und auf dem Desktop.
84 Prozent der Online-Banking-Nutzer würden es zudem begrüßen, wenn sie als Bestandskunde einfach und digital weitere Bankprodukte beantragen und abschließen könnten. In der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen liegt dieser Anteil sogar noch höher.
Upselling-Potenzial bei 84 Prozent der Bankkunden
Für Banken bedeuten die Kundenwünsche signifikante Upselling-Möglichkeiten, die noch nicht ausgeschöpft werden. Der wichtigste Hebel, um die Erträge nachhaltig zu steigern, ist die systematische Erhöhung der Kundenzufriedenheit, da loyale Kunden eher dazu bereit sind, weitere bzw. neue, digitale Produkte ihrer Bank zu nutzen. Dazu zählen sowohl innovative, eigene Omni-Channel-Angebote, die On- und Offline-Welt nahtlos miteinander verbinden, als auch Multibanking- und Embedded-Finance-Lösungen.
Bei einem Großteil der momentan auf dem Markt befindlichen (Multi)banking-Lösungen handelt es sich jedoch nur um reine Kontoübersichten ohne nennenswerten Mehrwert. Prinzipiell könnten Geldinstitute aber mittels technischer Schnittstellen auch Produkte anderer Finanzdienstleister und sogar branchenfremder Unternehmen in ihr eigenes Portfolio einbinden. Dieses sogenannte „Embedded Finance” beschränkt sich nicht allein auf Konten und Zahlungsverkehr – auch Kredite, Versicherungen und blockchainbasierte Token-Produkte können Drittanbieter genau dort in ihr Angebot aufnehmen, wo sie benötigt werden.
Marken wie Apple, Amazon, Samsung oder Walmart haben dies bereits erkannt und integrieren Konten, Zahlungskarten oder Kredite nahtlos in ihr eigenes Angebot. Während es in Europa erst wenige Embedded-Finance-Anbieter gibt, gelten China und die USA als Vorreiter. Weltweit gehen Prognosen von gigantischen Wachstumszahlen aus. Vergangenes Jahr lag das Marktvolumen bei etwa 22,5 Milliarden Euro weltweit, bis 2025 erwartet Lightyear Capital 230 Milliarden Euro.
Von deutschen Banken wird das enorme Marktpotenzial und der große Vorteil von Embedded-Finance-Produkten, den Bedarf der Kunden dort zu bedienen, wo er entsteht, vielfach noch nicht genutzt. Eine verpasste Chance, denn Embedded Finance kann Finanzdienstleistern einen Zugang zu neuen Märkten und innovativen Produkte verschaffen, die Kundenloyalität erhöhen, Kundenakquisitionskosten reduzieren und lukrative Einnahmequellen erschließen.