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Insolvenz mit Folgen: Was die Pleite der Kryptohandelsplattform FTX für die Branche bedeutet

Insolvenz mit Folgen: Was die Pleite der Kryptohandelsplattform FTX für die Branche bedeutet

FINEXITY
4 Minuten 
Lesezeit
November 17, 2022

Die Insolvenz der Kryptohandelsplattform FTX ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker, die die gesamte Branche als korrupt und Bitcoin als “Teufelszeug” abstempeln. Tatsächlich ist die FTX Pleite ein Warnsignal. Die ohnehin angeschlagenen, führenden Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ether haben - zumindest temporär - noch einmal stark an Wert verloren. Kunden fürchten um ihr Geld und zahlreiche Marktteilnehmer könnten in Sippenhaft genommen werden. Infolgedessen mehren sich die Rufe nach einer strikteren Regulierung der Handelsplätze und gesamten Kryptobranche.

FTX Insolvenz: Wie konnte es dazu kommen?

Eines schonmal vorweg: Die FTX Insolvenz ist nicht die erste Schreckensmeldung der Kryptobranche in diesem Jahr. Im Frühjahr 2022 ging der Stablecoin Terra zu Boden und verbrannte Anlegergelder in Höhe von 50 Milliarden Dollar, kurze Zeit später meldete die Kryptoplattform Celsius Network Insolvenz an. Und im November beantragte dann FTX Gläubigerschutz und wurde schließlich für zahlungsunfähig erklärt.

Doch wie konnte das geschehen? Ein Rückblick: Der nun 30-jährige Sam Bankman-Fried gründete nach ersten Erfolgen in der Kryptoszene im April 2019 die Handelsplattform FTX. Drei Jahre später hatte diese knapp eine Million Kunden und die eigene Kryptowährung FTT. Über die Plattform FTX konnten Nutzer mit Kryptowährungen wie Bitcoin und Ether, aber auch mit weit komplexeren Finanzprodukten handeln. Sie wurde nicht nur von privaten Investoren genutzt, sondern auch von Hedgefonds und anderen institutionellen Akteuren.

Doch als der Konkurrent und Marktführer Binance Anfang November ankündigte, sich von seinen FTT-Beständen zu trennen, geriet FTX unter Druck, da Anleger im großem Stil Gelder bei FTX abzogen. Für die Kryptobörse war dies der Supergau, der den ohnehin stattfindenden Ausverkauf von Bitcoin & Co. noch verschärfte. Die prekäre Situation gipfelte darin, dass Binance die schwächelnde FTX übernehmen wollte, nach einer Buchprüfung das Angebot aber wieder zurückzog. Einige vermuten darin ein geschicktes Manöver von Binance-Gründer Changpeng Zhao, um einen Konkurrenten auszuschalten - dieser dementiert das.

Gerichtsunterlagen zufolge wurde in Miami nun eine Sammelklage gegen Sam Bankman-Fried eingereicht. Die von FTX angebotenen verzinsten Kryptowährungskonten hätten wegen einer fehlenden Lizenz in den USA nicht verkauft werden dürfen, heißt es in der Klageschrift.

Auch besteht die Vermutung, dass das einstige “Krypto-Wunderkind” nach der FTX Insolvenz noch viele Millionen Dollar an verschiedene Wallets transferiert haben könnte. Oder: Kundengeldern von FTX noch während der aktiven Zeit an seine eigene Trading-Firma geleitet hat, um dort damit zu handeln. Dies wird jetzt vom amerikanischen Justizministerium und der US-Börsenaufsicht untersucht. Kompliziert wird der Fall, weil FTX zwar eine Tochtergesellschaft in den USA betreibt, der Konzern aber in Antigua und Barbuda eingetragen ist und seinen Hauptsitz auf den Bahamas hat.

Bis der Fall FTX umfassend untersucht ist, dürfte noch einige Zeit verstreichen. Klar ist aber schon jetzt, dass die Vorgänge rund um FTX ein Schock für betroffene Anleger und die gesamte Kryptobranche darstellen, die sich ohnehin in einer heiklen Phase befindet. Denn die weltweit steigenden Zinsen schaden besonders riskanten Finanzanlagen, zu denen Kryptowährungen zählen. Entsprechend sind Bitcoin, Ether und andere Kryptoanlangen weiter unter Druck geraten. Vergangenen Donnerstag fiel die weltgrößte Kryptowährung Bitcoin zeitweise unter die Marke von 16.000 Dollar - 2021 stand der Kurs noch bei 68.000 Dollar. Die Marktkapitalisierung des gesamten Kryptomarktes brach an nur einem Wochenende von 1,05 Billionen Dollar auf etwa 844 Milliarden Dollar ein.

Welche Folgen hat die FTX Pleite für die Kryptobranche?

Der Zusammenbruch von FTX bringt immer mehr branchennahe Firmen in Schwierigkeiten. Denn zum einen ist das von Bankman-Fried geleitete FTX auch mit dem Krypto-Brokerhaus Alameda Research verbunden. Dieses Konglomerat umfasst rund 140 Firmen, die Insolvenz angemeldet haben. Weil ein erheblicher Teil der Kryptowelt dort irgendwie engagiert war, führt das zu einem Dominoeffekt. Zum anderen dürfte die FTX Pleite auch Kryptofirmen in Mitleidenschaft ziehen, die Teile ihrer Gelder bei FTX angelegt hatten.

Besonders betroffen davon sind Krypto-Kreditvermittler. Sie verwenden Kryptomünzen einerseits als Sicherheit für Kredite in echtem Geld oder in anderen Kryptowährungen, andererseits als verzinste Einlage, um diese Coins Dritten gegen Zinsen zur Verfügung zu stellen. Nicht selten werden Zinsen nicht in echtem Geld, sondern in selbst ausgegebenen Kryptowährungen ausgeschüttet, deren Wert verfallen mag. So kündigte beispielsweise der Kryptowährungsbroker Genesis an, zur Sicherung der Liquidität keine neuen Kredite mehr zu vergeben und die Rückzahlung vorläufig einzustellen.

Noch ist unklar, wie es um die Liquidität von Genesis bestellt ist, doch angeblich soll die Firma 175 Millionen Dollar bei FTX eingelagert haben. Der Genesis-Mutterkonzern Digital Currency Group hatte deshalb bereits eine Zahlung von 140 Millionen Dollar bereitgestellt, um die Lücke zu füllen.

Welche Ausmaße die FTX Insolvenz noch annehmen wird, ist aktuell nicht absehbar. Klar ist jedoch, dass vermutlich einige Branchenvertreter in Sippenhaft genommen werden, die Kryptoindustrie einen erneuten Imageschaden erhält und Regulierer weitere Maßnahmen ergreifen könnten.

Rufe nach Krypto-Regulierung werden lauter

Nach dem FTX Desaster will beispielsweise ausgerechnet Binance-CEO Changpeng “CZ” Zhao eine Gruppe aus Industrievertretern gründen, die im engen Austausch mit Krypto-Regulatoren stehen soll. Im Rahmen des jüngsten G20-Gipfels erklärte er: "Wir brauchen einige Regulierungen, wir müssen das richtig machen, wir müssen das auf solide Beine stellen." Die Branche habe die gemeinsame Aufgabe, die Verbraucher zu schützen. Es sei nicht allein Aufgabe der Regulierungsbehörden.

Doch Politik, staatliche Institutionen und Aufsichtsbehörden sind bereits alarmiert. So plant beispielsweise das US-Repräsentantenhaus eine Anhörung zum Thema FTX. Neben Bankman-Fried sollen auch Vertreter von Konkurrenten wie Binance gehört werden. Die US-Finanzministerin Janet Yellen forderte eine stärkere Überwachung des Marktes und der Chef der deutschen Bankenaufsicht BaFin sagte als Reaktion auf die FTX Pleite, dass es für die Kryptobranche einen Schutzwall zum Bankensystem oder eine umfassende Regulierung brauche. Auch Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau forderte eine globale Reaktion der Regulierungsbehörden.

Zumindest in der EU ist die Krypto-Regulierung schon auf einem guten Weg. Im Oktober 2022 nahm der Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments die MiCA-Verordnung (Markets in Crypto Assets) an. Dies ist ein Gesetzentwurf, der darauf abzielt, einen einheitlichen Regulierungsrahmen für Kryptowährungen in den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu schaffen, der 2024 in Kraft treten könnte.

Die MiCA-Verordnung definiert Lizenzierungsprozesse für Krypto-Dienstleister, die in der EU tätig sein wollen. Sie umfasst u.a. Auflagen für das Risikomanagement, die Trennung von Kunden- und Firmengeldern, aufsichtsrechtliche Anforderungen und die Offenlegung von Interessenkonflikten - all dies hätte eventuell ein Debakel wie das von FTX verhindern können.

Ob MiCA eventuell sogar als Blaupause für die USA und andere Nationen gelten und eine weltweite Krypto-Regulierung vorantreiben könnte, bleibt abzuwarten. Aus der Krise dürften aber in jedem Fall neue Learnings sowie bessere Regulierungsstandards erwachsen, die schlussendlich der gesamten Kryptobranche und Verbrauchern zugutekommen.

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