Bitcoin: Chance für finanzielle Inklusion oder Türöffner für Kriminelle?
Spekulationsobjekt, alternative Währung, Vehikel zur Geldwäsche – für den Bitcoin gibt es eine ganze Reihe kontrovers diskutierter Synonyme. Einerseits hat die dahinterliegende Blockchain-Technologie das Potenzial, Finanzmärkte zu revolutionieren und zu demokratisieren. Andererseits lockt die scheinbare Anonymität von Kryptotransaktionen Kriminelle an, die über Bitcoin & Co. Geld waschen oder Zahlungen im Darknet tätigen. Erfahren Sie, welches Potenzial der Bitcoin als Zahlungsmittel und alternative Währung hat – und welche Risiken die Kryptowährung im makroökonomischen Kontext birgt.
Bitcoin als Chance für Entwicklungsländer?
Im Jahr der Finanzkrise 2008 / 2009 kam erstmal die Idee einer neuen, von staatlicher Regulierung unabhängigen Währung auf. Der bis heute anonyme Bitcoin-Gründer Satoshi Nakamoto legte mit der Schöpfung der ersten 50 Bitcoin und der Generierung von „Block 0“ damals den Grundstein für eine Vielzahl – mehr oder weniger erfolgreicher – Kryptowährungen. Vor allem die „Mutter der Cyberdevisen”, der Bitcoin, wird jedoch seit einiger Zeit auch als Alternative zu klassischen Fiatwährung untersucht bzw. bereits verwendet. Sei es als Bezahlmethode bei Einzelhändlern, Online-Shops und Restaurants oder als Alternative zu „herkömmlichen” Landeswährungen.
Als erstes Land der Welt akzeptiert El Salvador seit Juni 2021 die Kryptowährung Bitcoin als offizielles Zahlungsmittel. Der Handel ist ab dem Herbst gesetzlich verpflichtet, Bitcoin anzunehmen. Auch Löhne oder Steuern soll man schon bald auf diesem Weg abrechnen können. Langfristig soll der Bitcoin die Abhängigkeit vom US-Dollar mindern, der seit 2001 das gängige Zahlungsmittel in El Salvador ist. Denn durch den US-Dollar ist das Land von der Geldpolitik der US-Notenbank abhängig. Zudem haben etwa 70 % der rund sechs Millionen Bewohner El Salvadors keinen Zugang zu traditionellen Finanzdienstleistungen wie Bankkonten. Viele sind auf Geldsendungen ihrer Angehörigen in den USA angewiesen, die jedoch teils hohen Gebühren unterliegen. Die Bank of Amerika berichtet, dass grenzüberschreitende Überweisungen rund 24 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von El Salvador ausmachen. Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schätzt, dass die durchschnittlichen Kosten für solche Überweisungen über 10 % betragen. Das summiert sich auf hunderte Millionen Dollar pro Jahr, die Einwohner El Salvadors durch die Nutzung des Bitcoin sparen oder bei lokalen Unternehmen ausgeben könnten.
Das Argument der finanziellen Inklusion ist jedoch strittig. Zwar könnten mit dem Bitcoin auch Menschen ohne Bankkonto Zahlungen tätigen. Der Zugang zu sicheren Sparoptionen oder anderen Assets für einen sinnvollen, langfristigen Vermögensaufbau ist mit dem äußerst schwankungsanfälligen Bitcoin jedoch nicht gegeben.
Die Entscheidung, Bitcoin als gesetzliches Zahlungsmittel in El Salvador zu etablieren, stieß auch beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen auf harsche Kritik. Sie argumentierten, dass Bitcoin ein reines Spekulationsmittel und kein geeignetes Zahlungsmittel sei.
Bitcoin als Alternative zu Fiatwährungen?
Dies hat laut IWF mehrere Gründe: Zum einen ist der Bitcoin-Kurs starken Schwankungen unterworfen. Allein im Jahr 2021 startete die Cyberdevise bei rund 29.000 Dollar, kletterte Anfang September auf fast 50.000 Dollar, fiel einen Monat später zurück auf 41.000 Dollar und notierte Anfang November wieder bei 67.000 Dollar. Diese hohe, rein marktgesteuerte Volatilität, auf die die Politik keinen Einfluss hat, mache die Kryptowährung zu einem ungeeigneten Instrument für die makroökonomische Stabilisierung des Landes – so der IWF.
Zum anderen müssten Konsumenten und Unternehmen viel Zeit und Ressourcen darauf verwenden, um sich für eine Devise zu entscheiden, wenn die Preise für Waren und Dienstleistungen sowohl in US-Dollar, als auch in Bitcoin angegeben werden.
Spekulanten, die Bitcoin als Spielgeld oder sogar als Alternative zur „Krisenwährung Gold” betrachten, dürften sich wegen der teils heftigen Schwankungen des Bitcoinkurses keine Sorgen machen. Doch für Salvadorianer und kleinere, einheimische Unternehmen können Kursrücksetzer existenzbedrohend werden.
Im Gegensatz zu Fiatwährungen wird der Bitcoin wohl eine spekulative Devise bleiben, da sie sich nicht als Bewahrer von Wert und Stabilität eignet. Denn „Geld” im herkömmlichen Sinne muss bestimmte Funktionen erfüllen, damit es als Zahlungsmittel genutzt werden kann. Die drei wichtigsten Funktionen von Geld sind die Tauschmittelfunktion, die Funktion als Recheneinheit und die Wertaufbewahrungsfunktion:
Die Tauschmittelfunktion setzt voraus, dass Geld verlässlich gegen andere Güter oder Dienstleistungen getauscht werden kann – was bei Bitcoin aufgrund von Akzeptanzproblemen und Kursschwankungen nicht gegeben ist. Ebenso wenig wie die Geldwertstabilität, also eine Erhaltung der Kaufkraft des Geldes und die Recheneinheitsfunktion beziehungsweise die Fähigkeit, den Wert von Gütern und Dienstleistungen in Geldeinheiten zu messen und vergleichen zu können.
Die dunkle Seite des Bitcoin
Experten warnen zudem davor, dass Kryptowährungen wie der Bitcoin zur Geldwäsche und anderen, kriminellen Geschäften missbraucht werden könne. China hat bereits aus diesem und anderen Gründen alle Transaktionen in Zusammenhang mit Kryptowährungen verboten, mit mäßigem Erfolg. Da Cyberdevisen aus der Idee entstanden, Finanztransaktionen dem Staat und dessen Regulierung zu entziehen, verliert dieser auch seine Aufsichtsfunktion. Richtig ist, dass Bitcoin häufig mit Transaktionen im Darknet und Geldwäsche in Verbindung gebracht wird. Allerdings sind Krypto-Zahlungen in Bitcoin nicht so anonym, wie vielfach angenommen wird. Da das komplette, historische Kassenbuch der Transaktionen in der Blockchain öffentlich zugänglich ist, können mittels komplexer Zahlungsverkehrsanalysen die dahinterstehenden Personen zurückverfolgt werden.
Die Pseudoanonymität des Bitcoin machen sich auch Kriminelle zunutze, um Geld zu erpressen. Der Vorteil liegt auf der Hand: Bitcoin ist die populärste und zugänglichste Digitalwährung, weshalb Opfer von Erpressung (Ransomware Attacks) relativ einfach den Forderungen der Erpressung nachkommen können – sie benötigen lediglich eine digitale Brieftasche (Wallet), in der die Transaktion gespeichert wird. Die Krux dabei ist jedoch der Umtausch in eine Fiatwährung: Wird eine Kryptowährung in echtes Geld getauscht, ergeben sich gute Zugriffschancen für die Ermittler.
Kryptoregulierung und Geldwäscheprävention
Ein wichtiger Schritt zur Entkriminalisierung des Bitcoin erfolgte Anfang 2020: Um Geldwäsche mit Kryptowährungen zu verhindern, verlangt die 5. EU-Geldwäsche-Richtlinie von Wallet-Anbietern und Betreibern von Kryptohandelsplattformen, dass sie die Herkunft des Geldes klären müssen. Infolge der verbesserten Rückverfolgbarkeit und EU-Regulierung ist der Anteil von Transaktionen mit kriminellem Hintergrund am gesamten Transaktionsvolumen aller Kryptowährungen im vergangenen Jahr auf gerade einmal 0,34 Prozent gesunken, was umgerechnet in etwa zehn Milliarden US-Dollar entspricht. Ein Jahr zuvor lag der Wert noch bei 2,1 Prozent.
Der Bitcoin in seiner jetzigen Form kann sich derzeit nicht als alternatives Zahlungsmittel durchsetzen. Unregulierten Kryptowährungen fehlen aufgrund ihrer Nähe zum kriminellen Milieu, der ausgeprägten Volatilität und mangelnden Akzeptanz dafür das Vertrauen und die Substanz.
Optimierungspotential der Blockchain
Auch in der Vergangenheit zeigte sich, dass der Bitcoin in der Hypephase Ende 2017 mit Problemen in der Skalierung zu kämpfen hatte. Auf Grundlage der Bitcoin-Blockchain wurde daher das Lightning-Netzwerk als Protokoll zur Verbesserung der Skalierung weiterentwickelt. Der Bitcoin entwickelte sich bereits häufiger weiter, um den Anforderungen eines globalen massentauglichen Zahlungsmittels gerecht zu werden.
Die schnelle Weiterentwicklung einer Software ist nicht untypisch, sondern ein notwendiger und positiver Prozess: Wie auch bei Betriebssystemen, Smartphones oder anderen digitalen Endgeräten werden Sicherheitslücken geschlossen und die Praxistauglichkeit oder Effizienz verbessert. Erst wenn der Bitcoin allen Anforderungen an ein globales alternatives Zahlungsmittel gerecht wird, steht die Frage zur Regulierung weiterhin im Raum.
Bildnachweis: Immediate Edge