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Blockchain

Blockchain: Stromfresser oder Lösung für die Energiewende?

Die Blockchain steht wegen ihres hohen Energieverbrauchs immer wieder in der Kritik. Doch stimmt es, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen eine schlechte Ökobilanz aufweisen? Aktuell werden technische und politische Verbesserungsansätze diskutiert. Welche energieeffizienten Blockchain-Lösungen stehen heute schon zur Verfügung?

June 18, 2021
7
min read
Tim
Janssen
CTO | CBO

Als Tesla-Chef Elon Musk Ende Mai 2021 offen Kritik an der Ökobilanz des Bitcoin übte, brach dessen Kurs innerhalb weniger Stunden zweistellig ein. Als Musk jedoch andeutete, dass Tesla weiter an seinem Bitcoin-Besitz in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar festhalten wolle, wurde der Abverkauf gestoppt. In den Folgetagen erholten sich Bitcoin und andere, betroffene Kryptowährungen sogar wieder merklich, da der Tesla-Gründer sich nach eigenen Angaben für einen „grüneren Bitcoin” einsetzen will. 

Er habe mit namhaften Branchenvertretern wie Argo Blockchain, Blockcap, Core Scientific, Galaxy Digital und Hive Blockchain Technologies gesprochen, um die Produktion und Nutzung des Bitcoins nachhaltiger zu gestalten. Auch besuchte Musk ein Treffen des Bitcoin Mining Council, dem Chefs großer Krypto-Schürf-Unternehmen angehören. Gemeinsam wolle man nun für mehr Transparenz zum Energieverbrauch der Branche sorgen. Zudem sollen die Nachhaltigkeits-Bemühungen der Kryptoindustrie und deren Verwendung von erneuerbaren Energien weltweit forciert werden.

Umweltsünder Bitcoin-Mining?

Laut Daten der University of Cambridge beläuft sich der weltweite Energiebedarf für das Schürfen von Bitcoins auf aktuell rund 113 Terawattstunden (TWh) pro Jahr. Damit verbrauchen die Serverfarmen, die für das Mining benötigt werden, in einem Jahr mehr Strom als die Niederlande. Der Bitcoin-Stromverbrauch fällt hauptsächlich durch das sogenannte „Schürfen” (Mining) an. Bitcoin-Miner verwenden dabei besonders hochleistungsfähige Rechner und Grafikkarten, die mit dem Kryptowährungsnetzwerk verbunden sind. Diese müssen kryptografische Rechenaufgaben lösen. Der Miner, der als erster eine spezifische Aufgabe löst und somit einen neuen Block in der Blockchain überprüft, wird mit Einheiten der Kryptowährung belohnt. Der hohe Stromverbrauch vieler Blockchains entsteht dabei durch Rechnerleistung, Kühlung, aber vor allem durch einen speziellen Baustein der Technologie, der als Proof of Work (PoW) bezeichnet wird.

Blockchain ist mehr als Bitcoin – der Konsenmechanismus entscheidet

Wenn also über den hohen Energieverbrauch des Bitcoins berichtet wird, ist eigentlich das Mining mittels der PoW-Technologie gemeint. Dessen schlechte Ökobilanz kommt dadurch zustande, dass weltweit viele Millionen energieintensive Rechenoperationen für die Lösung der Rechenaufgabe stattfinden müssen. Durch PoW wird bewiesen, dass der Rechenweg fehlerfrei durchgeführt wurde. Viele große Kryptowährungen beruhen auf dieser energieintensiven Methode – neben Bitcoin auch, Ethereum, Litecoin oder Monero.

Allerdings gibt es mittlerweile zahlreiche, energieeffiziente Blockchainlösungen, deren Konsensmechanismen auf anderen technischen Verfahren basieren und dadurch weitaus weniger klimaschädlich sind. Dies sind Blockchains, die statt Proof of Work beispielsweise auf Verfahren wie Proof of Stake zurückgreifen. Statt vieler Miner sind dann zufällig ausgewählte, einzelne Validatoren („Buchhalter”) dafür verantwortlich, Transaktionen abzusichern. Auch sie können die Sicherheit der verteilten Datenbank gewährleisten – jedoch ohne den massiven, parallelen Rechenaufwand.

Proof of Stake reduziert den Energieverbrauch erheblich

Als eine der wichtigsten Kryptowährungen hat Ethereum am 1. Dezember 2020 mit der sogenannten „Beacon Chain“ den Übergang von Proof of Work zu Proof of Stake (PoS) gestartet. Das Ethereum-Netzwerk soll nach der Transformation, die noch 2021 abgeschlossen werden soll, nur noch so viel Energie verbrauchen, wie ein 2.000-Einwohner-Dorf. Zwar wird Ethereum 2.0 aufgrund seiner wichtigen Marktposition eine Signalwirkung für die gesamte Krypto-Branche haben, doch die Pionierarbeit leisten kleinere Kryptowährungen, die schon jetzt auf dem Proof of Stake-Verfahren basieren. So zum Beispiel Cardano, Polkadot, EOS oder Tron, deren Kursentwicklung vom Energieproblem des Bitcoin teils massiv profitierte: Durch Elon Musks Tweets ist die negative Ökobilanz des Bitcoin in den Fokus der Anleger gerückt. Diese investierten daraufhin vermehrt in PoS-basierte Alternativen. Viele dieser „grünen" Kryptowährungen konnten deshalb im Mai 2021 im zweistelligen Bereich zulegen.

Mehr Nachhaltigkeit in der Blockchain kann sowohl durch einen effizienteren Konsensmechanismus, als auch durch den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien erreicht werden. Die Global Cryptoasset Benchmarking Study stellte fest, dass im September 2020 etwa 39 Prozent der Krypto-Energie aus erneuerbaren Quellen kamen – nach 28 Prozent im Dezember 2018. 

Die Ökobilanz des Bitcoin hängt jedoch zu stark von China und dessen Energiewesen und -politik ab. In den Provinzen Xinjiang und Sichuan findet rund 65 Prozent des weltweiten Bitcoin-Mining statt. Doch der Strommix Chinas wird zu 62 Prozent durch fossile Energien und Kohlekraftwerke dominiert, die sogar noch ausgebaut, statt zurückgefahren werden.

Die Blockchain kann erneuerbare Energien unterstützen

Politik und Wissenschaft weltweit sollten das CO2-Problem von Bitcoin deshalb anerkennen und nach Lösungen suchen. Optimal wäre es dabei, wenn die Blockchain nicht nur selbst „grüner”, sondern gleichzeitig zu einem schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien beitragen würde. Denn die Blockchain an sich ist die wahrscheinlich effizienteste Infrastruktur und könnte den Ausbau CO2-neutraler Energiegewinnung sogar vorantreiben. 

Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Blockchain in der integrierten Energiewende“ der Deutschen Energie-Agentur (dena). Sie untersuchte den Beitrag der Blockchain zur Energiewende anhand elf konkreter Anwendungsfälle aus den energiewirtschaftlichen Kernbereichen Asset Management, Datenmanagement, Marktkommunikation, Stromhandel und Finanzierung.

Ein Beispiel des möglichen, ökologischen Mehrwerts blockchainbasierter Lösungen: Netzentgelte und Strombezugspreise spiegeln heute nur unzureichend Engpässe in Netzen oder die Knappheit am Großhandelsmarktplatz wider. Durch eine exakte Dokumentation der orts- und zeitgenauen Erzeugungs- und Verbrauchsinformationen mittels Smart Contracts können diese Systeme effektiver gestaltet werden.

Mehrwertpotential der Blockchain sektorenübergreifend nutzen

Damit sich die Blockchain-Technologie weiterentwickelt und ihr Einsatz u.a. in der Energiewirtschaft ausgeweitet werden kann, müssen Politik und Wirtschaft jedoch noch wichtige Weichen stellen. Einen bedeutsamen Schritt hat die Bundesregierung mit der Veröffentlichung der Blockchain-Strategie bereits 2019 unternommen und im Mai 2021 nochmals konkretisiert. Ziel der Strategie ist es, die Chancen der Blockchain-Technologie zu nutzen, ihre Potenziale sektorübergreifend für die digitale Transformation zu mobilisieren und Deutschland als einen der führenden Standorte für diese Technologie weiter zu stärken. Dass die Verknüpfung von Blockchain und Energiewende funktionieren kann, zeigen deutsche Start-ups wie beispielsweise Lition: Das Unternehmen nutzt die Blockchain-Technologie, um Ökostromanbieter und Kunden ohne den Umweg über große Netzbetreiber direkt zusammenzubringen und den Nutzern so einen direkteren und preiswerten Zugang zu grünem Strom zu ermöglichen.