Classic Car Geschichten aus aller Welt
Um den Markt für Classic Cars zu verstehen, reicht es nicht aus nur die Entwicklungen auf der Makroebene zu betrachten. Auf der Mikroebene finden sich individuelle, spannende Geschichten, welche die Emotionalität der Anlageklasse eindrücklich zum Ausdruck bringen und den teilweise rasanten Wertanstieg erklären können. Analog zu einem Kunstwerk, verbirgt sich auch hinter Fahrzeugen eine spannende Entstehungsgeschichte und Historie – mit dem Unterschied: Man kann sie fahren.
Unsere Lieblingsgeschichten
Roms berühmtestes Polizeiauto: Ferrari 250 GTE
In den frühen 60er-Jahren leistete Roms Polizeieinheit zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens so gute Arbeit, dass der italienische Staatspräsident sie fragte, was sie sich als Zeichen der Anerkennung wünschen würden. Eine scherzhaft gemeinte Antwort war: "Einen Ferrari". Der Präsident schaffte es, ihnen zwei zu schenken, was natürlich für große Aufregung sorgte. Die Aufregung war sogar so groß, dass einer der beiden gleich am ersten Testtag verunglückte und der andere zwei Wochen später.
Der coolste Autoname aller Zeiten
Der Isdera Imperator 108i war ein deutscher Supersportwagen, der von 1984 bis 1993 in Kleinserie produziert wurde. Der Imperator 108i entstand aus dem Mercedes-Benz Concept Car CW311 von 1978. Eberhard Schulz, der früher als Konstrukteur für Mercedes-Benz arbeitete, leitete ein Ingenieurbüro, welches das CW311-Konzept entwarf. Da Mercedes-Benz kein Interesse daran hatte, den CW311 selbst in Produktion zu bringen, erlaubte er Schulz, das Fahrzeug unter seiner eigenen Marke Isdera zu produzieren. Außerdem ist Imperator wahrscheinlich der beste Autoname der Welt, dicht gefolgt von Interceptor.
Pfunde aus Gold
Dieses Rolls Royce Phantom I Jonckheere Coupe von 1925, das den Spitznamen "Round Door Rolls" trägt, ist wahrlich ein Meisterwerk des Karosseriebaus der Vorkriegszeit. Schon vor seiner Wiedergeburt durch den belgischen Karosseriebauer Jonckheere im Jahr 1932 durchlief der Wagen viele Besitzer in mehreren Ländern, aber danach wurde er noch wilder: Einmal wurde er von einem amerikanischen Besitzer mit einigen Pfunden echten Goldflocken lackiert und von Stadt zu Stadt gefahren, um wie eine Zirkusattraktion vorgeführt zu werden.
David gegen Goliath
Es war die Sensation in der Winter-Rallye-Saison 1963/64: Ein kleiner roter Mini mit weißem Dach zeigte allen größeren Teilnehmern stolz sein Auspuffrohr, holte den Gesamtsieg bei der Rallye Monte Carlo und wiederholte diesen Erfolg dann in der Saison 65. Das winzige Auto wurde sofort zur Legende: Ursprünglich als preiswertes und sparsames Fortbewegungsmittel konzipiert, wurde aus dem Mini der Mini Cooper S. Noch immer gab es kein anderes Auto auf dem Markt, welches für so wenig Geld so viel sportliche Leistungsfähigkeit bieten konnte.
"Ein williges Arbeitstier mit dem Körper einer Brigitte Bardot"
Der zunehmend begehrte Volvo P1800 ist einer der wenigen klassischen europäischen Sportwagen seines Jahrgangs, der auch heute noch verlässlich endlose Tausende von Meilen läuft. Der berühmte Irv Gordon hat sein 1966er Modell mehr als drei Millionen Meilen gefahren, was den P1800 zum langlebigsten Auto der Geschichte macht. "Es ist ein williges Arbeitstier mit dem Körper von Brigitte Bardot."
Dieser 1800ES, umgestaltet als "Shooting Brake" mit einer rahmenlosen Glasluke, war die letzte Iteration des Modells. Angetrieben wird er von dem unverwüstlichen B20-Motor mit Bosch K-Jetronic-Einspritzung. Etwa 8.000 Exemplare wurden gebaut, bevor die Produktion 1973 eingestellt wurde. In Deutschland wird er auch "Schneewittchensarg" genannt.
Windschatten
Wenn man versucht, den Fahrrad-Landgeschwindigkeitsrekord zu brechen, braucht man etwas Schnelles, das für Windschatten sorgt! Jean Claude Rude benutzte für seinen Versuch 1979 einen Martini-Porsche 935, der für seinen Zweck stark modifiziert wurde. Die Porsche-Ingenieure statteten den Rennwagen sogar mit einem seitlichen Auspuff aus, um dem Radfahrer nicht die Beine zu verbrennen, wenn der 800 PS starke Motor Flammen spuckt. Die Hochgeschwindigkeitsfahrt fand auf der berühmten VW-Teststrecke Ehra-Lessien statt, am Steuer des 935 saß die Rennfahrerlegende Henri Pescarola. Bei seinem ersten Lauf platzte bei 160 km/h ein Reifen an Rudes Fahrrad und verursachte fast einen tödlichen Crash. Im zweiten Lauf verwendete er stabilere Reifen, doch trotz aller Bemühungen konnte er keinen neuen Rekord aufstellen. Der bisherige Rekord wurde 1962 hinter einem Mercedes-Benz 300SL mit 204,7 km/h aufgestellt.
20.000 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 209 km/h
Wir alle kennen und lieben den 911 2.7 RS , aber wir können das Auto nicht außer Acht lassen, welches diese brillante Maschine beflügelt hat. Bereits 1967, 6 Jahre vor dem RS, schuf Ferdinand Piëch den 911 R, einen von allem unnötigen Gewicht befreiten 911 S. Die einheitliche Stahlkarosserie wurde zwar beibehalten, aber alles, was mit ihr verschraubt war – wie Motorhaube, Türen und Kotflügel – wurde durch Glasfaserplatten ersetzt. Plexiglas ersetzte die schweren Fenster und Metallteile wurden mit Löchern versehen. Diese und andere Maßnahmen führten dazu, dass am Ende die 1.030 kg eines serienmäßigen Porsche 911 S auf 800 kg reduziert werden konnten. Der 911 R bleibt der leichteste Elfer, den das Werk bis heute gebaut hat. Motorentechnisch entschied sich Piëch für den 210 PS starken Aluminium-Sechszylinder Typ 901/22, wie er im Wesentlichen in den Porsche-Rennsportmodellen 906 und 910 zum Einsatz kam. Der 911 R stellte einen Weltrekord über 20.000 km mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 209 km/h auf. Erst später entdeckte das Team, dass der Motor des Rekordwagens nicht, wie gedacht, ein frisch überholtes Aggregat war, sondern bereits 100 Stunden im Dauerlauf auf der werkseigenen Teststrecke in Weissach verbracht hatte. Das ist deutsche Ingenieurskunst par excellence.
Das teuerste Auto der Welt
Der Ferrari 250 GTO, bekannt als "das teuerste Auto der Welt" (letzter Auktionspreis: 48,4 Millionen Dollar im Jahr 2018), verkörpert Klasse, Reichtum, Dekadenz und damit auch Zerbrechlichkeit. Gebaut wurden diese Autos jedoch als Arbeitspferde, um zermürbende Rennbedingungen zu ertragen und über extrem lange Zeiträume gefahren zu werden. Dieser 250 GTO Serie II wurde von den rauen sizilianischen Straßen bei der Targa Florio 1964 hart gefordert, aber er bleibt an der Spitze, trägt seine Kampfnarben mit Stolz und sieht dabei noch immer umwerfend aus. Es gibt nur drei 250 GTO der Serie II, die jemals gebaut wurden (1964), und sie hatten eine Karosserie mit breiteren Kotflügeln als das Original, einem versenkten Rücklicht und fliegenden Strebebogen-Segelfeldern. Das neue Dach wurde vom 250 LM mit Mittelmotor entlehnt, dem die FIA die Homologation für die GT-Klasse verweigert hatte. Die neu gebauten Autos brachten die Gesamtproduktion des GTO (abzüglich der Prototypen) auf 36 bzw. 39, wenn man die 4-Liter-Autos mitzählt.
Dieser kleine Einblick in unsere automobilen Lieblingsgeschichten verdeutlicht, was den Kult um Classic Cars ausmacht. Sie verkörpern als Bestandteil der menschlichen Kulturgeschichte diverse, erstaunliche Geschichten und fungieren als nutzbares Relikt aus einer früheren Zeit. Jeder, der schon einmal in einem Classic Car gefahren ist, kann nachempfinden, wie sich diese Reise in die Vergangenheit und der Perspektivwechsel auf die Welt anfühlt.