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DeFi als Lösung für ein vertrauenswürdiges Finanzsystem?

DeFi als Lösung für ein vertrauenswürdiges Finanzsystem?

FINEXITY
4 Minuten 
Lesezeit
March 5, 2021

Decentralized Finance ist keine einzelne Plattform, sondern der Oberbegriff für eine Vielzahl von Ideen und Projekten, deren Ziel es ist, ein zukunftsweisendes, dezentrales, transparentes und dadurch vertrauenswürdiges Finanzsystem aufzubauen. Wenn das disruptive Potenzial jetzt für kooperative Geschäftsmodelle genutzt wird, können Banken und Kunden gleichermaßen profitieren.

Jede Reaktion stimuliert eine Gegenreaktion. Das gilt auch im Finanzwesen: Im Zuge der weltweiten Finanzkrise ab dem Jahr 2007 etablierten Zentralbanken umstrittene Konjunkturmaßnahmen, die das Misstrauen vieler Marktteilnehmer in die mächtigen Institutionen schürten. Es wuchs das Bewusstsein für die Abhängigkeit von einigen, wenigen Entscheidern (den Notenbanken), die das globale Finanz-Ökosystem steuern.

Mit der Lancierung des Bitcoin 2009 entstand eine Gegenbewegung: Weg von der Zentralisierung, hin zu Decentralized Finance (DeFi). Experten gehen davon aus, dass das Misstrauen in zentralisierte Finanzstrukturen der Katalysator ist, der das DeFi-Wachstum auch weiterhin vorantreiben und konkurrenzfähige Modelle zu traditionellem Banking etablieren wird.

Blockchain-Finanzprodukte – liquider Geldfluss via Smart Contract

Unter den Begriff DeFi fallen generell alle finanziellen Transaktionen und Dienstleistungen, die nicht wie im traditionellen Finanzsektor der Steuerung oder Kontrolle eines zentralen Akteurs (z.B einer Bank oder Börse) unterliegen. Bei DeFi-Anwendungen übernimmt diese Aufgaben in aller Regel ein Blockchain-Protokoll. Mittels Smart Contracts werden zum Beispiel die Auszahlungsbedingungen einer Transaktion hinterlegt, die dann automatisch ohne das Eingreifen Dritter und ohne Manipulationsmöglichkeiten ausgeführt wird, sobald die vereinbarten Voraussetzungen erfüllt sind. Auf diese Weise hat kein Akteur die alleinige Kontrolle über Transaktionen, wodurch Zensur und Zentralisierung verhindert werden.

Im dezentralisierten Finanzsystem werden klassischen Finanzprodukte über Applikationen, sogenannte Apps, dargestellt. Darunter fallen der Handel mit Wertpapieren, digitale Investitionen in Sachwerte oder die Vergabe und Inanspruchnahme von Krediten. Ein Beispiel: In der traditionellen Finanzwelt vergeben und quantifizieren Banken Darlehen nur an Kunden, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen. In einem DeFi-Netzwerk kann hingegen jeder ein Darlehen erhalten, das durch einen Smart Contract geregelt ist. 

Viele der auf Krypto-Kredite spezialisierten Plattformen bieten Interessenten die Möglichkeit, Geld in Form von Kryptowährungen aufzunehmen oder an andere Netzwerknutzer zu verleihen. Als Sicherheit dient meist eine vorab definierte Summe hinterlegter Token. Die meisten Plattformen weisen Kreditgeber und Kreditnehmer einander automatisch zu, wobei Zinssätze auf der Grundlage von Angebot und Nachfrage definiert werden.

DeFi boomt – Geldanlage, Kredite und Versicherungen

Die DeFi-Marktkapitalisierung hat laut den Berechnungen von DeFi Pulse vor kurzem ein neues Allzeithoch erreicht. Am 21. Februar 2021 ist der TVL-Index (“total value locked”) – bzw. die Gesamtmarktkapitalisierung des DeFi-Ökosystems – auf einen Höchststand von 44 Milliarden Dollar geklettert. Zum Vergleich: Der TVL notierte am 1. Januar 2021 bei lediglich 15 Milliarden Dollar – ein Anstieg von 166 % innerhalb von gut sieben Wochen.

Der aktuelle DeFi-Boom ist im Wesentlichen auf zwei Entwicklungen zurückzuführen: Zum einen treiben Kryptowährungs-Spekulanten den Preis und das Marktvolumen von Ethereum & Co. in die Höhe. Zum anderen gibt es immer mehr Lösungen, die sowohl private, als auch institutionelle User auf den Plan rufen.

Das Gros der DeFi-Lösungen/Anwendungen lässt sich grundsätzlich in folgende drei Cluster unterteilen:


  • Lending

Auf DeFi-Lending-Plattformen können Nutzer direkt und ohne Kontrollinstanz Kredite in Form von Kryptowährungen aufnehmen oder gewähren. Dezentrale Lending-Protokolle bieten geringe Eintrittsbarrieren, eine hohe Flexibilität, zeitnahe Abwicklung und erfreuen sich – auch befeuert durch das Misstrauen gegenüber der (Zentral)Banken – wachsender Popularität.


  • Monetäre Bankdienstleistungen

Hierzu zählen die Ausgabe von Versicherungen, Hypotheken oder sogenannter Stablecoins, die beispielsweise an den Wert einer Fiat-Währung oder eines möglichst preisstabilen Gegenwerts gekoppelt sind. Sie bieten ähnlich wie Bitcoin den Vorteil der einfachen, digitalen Übertragbarkeit und könnten in Zukunft als eine Art von Bargeld genutzt werden.

Des Weiteren würden blockchain-basierte Versicherungen und Hypotheken den Bedarf (kostspieliger) Intermediäre oder Notare eliminieren. Dies könnte zu niedrigeren Prämien bei gleicher Servicequalität und schnellerer Abwicklung führen.


  • Handel mit tokenisierten Vermögenswerten

Zudem bietet die Blockchain die Möglichkeit, Vermögensgegenstände wie Wertpapiere, Immobilien oder andere Sachwerte als tokenisierten Vermögenswert abzubilden. Investor*innen können auf diese Weise bereits ab wenigen hundert Euro digitale Anteile an einem oder mehreren Assets besitzen und so ein transparentes, differenziertes und selbstdefiniertes Sachwerteportfolio zusammenstellen und verwalten.


Konkurrenz und Chance für traditionelle Banken

Im konventionellen Finanzsektor in Deutschland ist laut der PwC-Studie „Blockchain in Financial Services 2020” bereits ein „positives Stimmungsbild“ hinsichtlich des Potenzials der Blockchain zu erkennen: 75 % der Befragten Entscheider von Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltungen sehen die Blockchain-Technologie als relevant an. Die Blockchain-Aktivitäten ihrer eigenen Unternehmen halten sich bislang jedoch noch in Grenzen. Nur 22 % der Studienteilnehmer setzten sich schon konkret mit Blockchain-Technologien auseinander. 

Die Studie bestätigt dagegen „die Beständigkeit der klassischen Anwendungsfälle“ von Blockchains. Deutsche Finanzdienstleister setzen demnach langfristig vor allem auf Anwendungen im Umfeld von Informationssicherheit (60 %), Auditing und Datenintegrität (42 %) und Peer-to-Peer-Bezahlsystemen (31 %). Als „Showstopper” wurden dagegen fehlende Budgets, ein „Unbehagen gegenüber digitaler Disruption” sowie die Ungewissheit bezüglich regulatorischer Voraussetzungen genannt.

Viele der aktuellen Blockchain-Technologie-Anwendungen  zielen laut der Studie  vor allem auf Effizienzsteigerung ab. Das eigentliche Potenzial sehen die Analysten jedoch in der Erschließung neuer Geschäftsmodelle. Sie raten Finanzdienstleistern deshalb zum Ausloten „kooperativer Geschäftsmodelle“ mit DeFi-Anbietern, die mehrere Vorteile bergen. So zum Beispiel:

  • Lückenlose Transparenz: Nachverfolgung, Überwachung und Analyse aller Aspekte einer Transaktion
  • Automatische Konformität: softwaregesteuerte, manipulationssichere Erfüllung gesetzlicher Anforderungen
  • Einfache Datenerfassung und -analyse
  • Kostenoptimierung
  • Einhaltung rechtlicher und steuerlicher Rahmenbedingungen des Finanz-, Versicherungs- und Bankwesens

DeFi definiert die Zukunft

Durch den Einsatz von Blockchain-Technologie können DeFi-Geschäftsmodelle schneller, kostengünstiger, kundenzentrierter und agiler sein als herkömmliche Finanzdienstleistungen. Somit hat eine DeFi-Ökonomie das Potenzial disruptiv zu sein und bisherige Systeme sinnvoll zu transformieren – nicht zu ersetzen. 
Geld- und Finanzinstitute sollten diese Chance nutzen und DeFi-Anwendung in die eigenen Systeme und Produkte integrieren, um Kunden über spezialisierte Online-Plattformen einen Katalog an zukunftsorientierten Dienstleistungen zu bieten.

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