Pflegenotstand: Risiken und Chancen für Senioren und Investoren
Mit der Frage: “Was passiert, wenn ich selbst oder ein Angehöriger einmal alt ist und gepflegt werden muss?”, sollte sich jeder beschäftigen. Denn der Bedarf an Pflegeplätzen steigt in Deutschland seit Jahren enorm und kann durch das Angebot in Zukunft nicht mehr gedeckt werden. Eine mögliche Lösung des Pflegenotstands bieten Seniorenresidenzen oder Wohnstifte als Kapitalanlage für Privatinvestoren. Erfahren Sie mehr über die Chancen und Risiken von Pflegeimmobilien.
Pflegelücke vergrößert sich
Wer einen stationären oder ambulanten Pflegeplatz für sich oder seine Angehörigen sucht, tut sich in vielen Ballungszentren schon heute schwer. Denn sowohl Seniorenheime als auch ambulante Einrichtungen müssen schließen, sind voll und / oder sehr kostspielig. Diese Situation dürfte sich aufgrund des demografischen Wandels in Deutschland noch weiter verschlechtern. Durch die Alterung der Gesellschaft ist bis 2030 in Deutschland mit 4,9 Millionen Pflegebedürftigen zu rechnen, das entspricht einer Steigerung von 20 Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Deshalb dürften laut einer aktuellen Studie des „RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung“ in Deutschland bis 2040 rund 322.000 Pflegeplätze fehlen. Da liegt vor allem an der allgemeinen demographischen Entwicklung: Bis 2045 werden alle Menschen der sogenannten Babyboomer (geburtenstarke Jahrgänge von etwa 1958 bis 1972) in Rente gehen. Die erstgeborenen dann bereits auf Pflegeleistungen angewiesen sein.
Besonders prekär: Während die Anzahl der Pflegebedürftigen rapide steigt, müssen immer mehr Pflegeheime schließen. So hat sich die wirtschaftliche Lage deutscher Pflegeheime seit dem Jahr 2016 stetig verschlechtert. Rund 20 Prozent lagen 2019 im “roten Bereich“ mit erhöhter Insolvenzgefahr, gut 26 Prozent schrieben einen Jahresverlust. In diesem Jahr rollte sogar eine “Insolvenzwelle” über den Pflegeheim-Markt: In Deutschland gibt es rund 11.700 Pflegeheime, von denen hunderte vor der Pleite stehen oder bereits Insolvenz anmelden mussten. Bis Juni 2023 wurden etwa 33 Pflegeheime, 255 Pflegedienste und 100 Tagespflegen geschlossen, meldet das Löschradar des Branchendienstes Pflegemarkt.com. Damit gingen 1.665 vollstationäre Plätze verloren und über 11.000 Betroffene mussten sich einen neuen Pflegedienst suchen. Wie dramatisch die Situation ist, zeigt auch eine Umfrage des Bundesverbands privater Anbieter unter knapp 2.500 Pflegeheimen und ambulanten Diensten: Demnach sehen fast 70 Prozent der Pflegeeinrichtungen in Deutschland ihre wirtschaftliche Existenz als bedroht an. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Befragung der Bank für Sozialwirtschaft, in der 40 Prozent der teilnehmenden Einrichtungen für dieses Jahr mit einem negativen Betriebsergebnis rechnen.
Gründe für die (drohende) Pleitewelle gibt es viele: gestiegene Energiekosten, allgemeine Inflation, höhere Löhne dank des neuen Tariftreuegesetzes und ein massiver Mangel an Pflegekräften. Die Leidtragenden sind aber in jedem Fall die Pflegebedürftigen und ihre Familien, die längst nicht mehr selbstverständlich die Versorgung finden, die sie benötigen.
Doch wie lässt sich die Pflegelücke in Zukunft schließen? Fachleute diskutieren diesbezüglich im Wesentlichen drei Punkte:
- Bund und Länder sollten als Kostenträger an ihre Pflicht erinnert werden, Kostensteigerungen zu refinanzieren.
- Die anstehende Neugestaltung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes dürfte für mehr Pflegekräfte sorgen.
- Pflegeheime und Seniorenresidenzen als Objekte für private Kapitalanleger könnten Kapazitäten erhöhen.
Investieren in den Wachstumsmarkt Pflegeimmobilien
Die steigende Nachfrage nach Pflegeplätzen bei einem gleichzeitig sinkenden Angebot zieht natürlich auch Investoren an, die Renditechancen wittern. Doch Investitionen in Pflegeimmobilien können mehr: Anleger haben oft die Möglichkeit, sich ein sogenanntes bevorzugtes Belegungsrecht zu sichern. Dies ist ein Rechtsanspruch, den Betreibergesellschaften eines Pflegeheims oder einer Pflegeimmobilie den Eigentümern von Wohneinheiten in diesen Einrichtungen zusichern. Es garantiert zwar nicht das Recht, sofort bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit im eigenen Pflegeappartement unterzukommen, aber es sichert immerhin die erste Position auf der Warteliste für den nächsten freien Platz - wenn auch nicht unbedingt im selbst erworbenen Appartement oder Zimmer. Dieses bevorzugte Belegungsrecht lässt sich unter Umständen auch auf Verwandte übertragen.
Neben diesem persönlichen Pflege-Vorteil sind auch die Renditen der Immobilien mitunter attraktiv, denn die Betreibergesellschaft zahlt Anlegern eine Miete für die Pflegeappartements. Die durchschnittliche Mietrendite liegt bei 4 bis 6 % pro Jahr, kann jedoch je nach Standort, Qualität der Einrichtung, Vertragsbedingungen und Betreiber aber deutlich davon abweichen. Eine aktuelle Studie der Immobilienberatung Cushman & Wakefield geht allerdings davon aus, dass die Kaufpreise für Pflegeimmobilien kurzfristig sinken werden - die Mieten dürften dagegen mittel- bis langfristig steigen.
Seniorenresidenzen und Pflegeheime waren wegen der komplexen Regularien und hohen Kosten von vielen Millionen Euro lange nur etwas für Großinvestoren. Zunehmend werden sie aber wie Wohnimmobilien aufgeteilt und dann scheibchenweise an Privatanleger verkauft. Diese Assetklasse birgt sowohl Risiken als auch Chancen:
Risiken:
- Initialkosten
Um in eine Pflegeimmobilie zu investieren, wird ein Eigenkapital in Höhe von ca. 20 Prozent vorausgesetzt. Für den Erwerb einer Pflegeimmobilie ist insgesamt mit einem Anlagevolumen von mindestens 130.000 Euro zu rechnen.
- Betreiber
Die Rendite einer Pflegeimmobilie steigt oder fällt mit dem unternehmerischen Geschick des Heimbetreibers. Sprich: der Qualität der Pflegedienstleistungen, dem Personalschlüssel oder den Kosten. Auch besteht für Investoren das Risiko einer Insolvenz des Heimbetreibers oder eines längeren Leerstands.
- Instandhaltung
Pflegeimmobilien bedeuten oft viel Renovierungsaufwand, weil sich die Anforderungen an ihre Ausstattung und Konzeption - z.B. durch gesetzliche Regulierungen - schnell ändern können. Die Räumlichkeiten von Pflegeheimen werden zudem stark beansprucht und nutzen sich entsprechend schnell ab. Damit verbundene Kosten können die Rendite schmälern.
Chancen:
- Langfristigkeit und Planbarkeit
Die demographische Entwicklung ist wenig variabel. Die sogenannten Babyboomer (geburtenstarken Jahrgänge) stellen bereits heute die Mehrheit der Gesellschaft. Jeder einzelne davon wird im Laufe seiner Rentenlaufzeit auf die ein oder andere Weise Pflegeleistungen in Anspruch nehmen müssen. Die politische Bedeutung der Pflege für eine im Schnitt alternde Gesellschaft kann nicht hoch genug geschätzt werden.
- Renditechancen
Investitionen in Pflegeimmobilien entwickeln sich weitgehend unabhängig vom Marktgeschehen. Natürlich können die Renditen gerade in Zeiten hoher Personal-, Grundstücks- und Baukosten schwanken. Doch Seniorenheime sind alternativlose Pfeiler der Pflege und somit immer “gefragt”.
- Marktwachstum
Weil immer mehr Menschen pflegebedürftig werden, ist ein späterer Verkauf von Pflegeimmobilien meist problemlos möglich und kann sogar einen ordentlichen Wertgewinn erzielen.
Natürlich ist der An- und Verkauf von Pflegeimmobilien komplexer als zum Beispiel der einer Eigentumswohnung. Doch der demografische Wandel in Kombination mit immer weniger Pflegeplätzen - vor allem in Ballungszentren - dürfte dafür sorgen, dass Seniorenresidenzen und Pflegeheime in Zukunft auch für Privatinvestoren an Attraktivität gewinnen werden.