Anlagestrategie 2023: Wie Profis mit den aktuellen Herausforderungen der Finanzmärkte umgehen
Die hohe Inflation und die steigenden Zinsen in vielen Ländern rund um den Globus sorgen für ein Umdenken bei Investment Managern und Wirtschaftsstrategen. So ist beispielsweise aktuell eine Abkehr von der “altbewährten” Investitionsstrategie 60/40 (Aktien und Anleihen) zu sehen. Erfahren Sie, welche Anlagestrategien institutionelle Investoren jetzt verfolgen und welche Learnings Privatanleger eventuell zu ihrem Vorteil nutzen können.
Turbulentes Marktumfeld 2023
Aufgrund der Rekord-Inflation in vielen Ländern verfolgen führende Zentralbanken den aggressivsten Zinserhöhungs-Zyklus seit den 1980er-Jahren. Dies hat Vor- und Nachteile für die Wirtschaft und Verbraucher. Während beispielsweise Kredite oder Darlehen deutlich kostspieliger werden, haben die Zinsschritte festverzinslichen Wertpapieren oder Tagesgeldkonten zu neuer Attraktivität verholfen. Sparer erhalten auf Tagesgeld aktuell (Stand: Mai 2023) für sechs Monate garantiert rund 3 % Zinsen. Zudem werden Anleger nach einer langen Durststrecke nun mit höheren Renditen bei Anleihen belohnt, insbesondere bei kurzlaufenden Staatsanleihen.
Hat die traditionelle 60/40-Anlagestrategie ausgedient?
Aufgrund der Verwerfungen bzw. Neuordnung an den Märkten geht allerdings die bewährte 60/40-Strategie nicht mehr auf. Sie basiert auf der umgekehrten Korrelation zwischen Anleihen und Aktien und der Annahme, dass, wenn der Preis des einen steigt, der des anderen fällt. Dieser 60/40-Ansatz - seit mehr als 30 Jahren ein Eckpfeiler für viele Vermögensverwalter - erzielt jedoch nicht mehr die gewünschte Rendite: Laut Daten des Vermögensverwalters BlackRock verlor ein so gestaltetes Portfolio im Jahr 2022 rund 16 Prozent an Wert, weil die Kurse von Aktien und Anleihen gleichzeitig gefallen sind. Das hatte zum Beispiel Auswirkungen auf 60-40-Portfolios, die zu 60 Prozent aus US-Aktien und zu 40 Prozent aus US-Staatsanleihen bestehen.
Diese Entwicklung ist vor allem im historischen Kontext bemerkenswert. Denn seit 1929 gab es nur drei Jahre, in denen Anleihen nicht stiegen, während die Aktien fielen. Vor allem die Episode von 1969 bis 1970 ist in diesem Zusammenhang die vielleicht relevanteste. Denn damals löste eine Kombination vieler Faktoren, darunter eine lockere Geldpolitik, großzügige fiskalische Anreize und Unterbrechungen der Energieversorgung, ein Jahrzehnt mit hoher Inflation aus.
In den nächsten zwei Jahren könnten die Spanne zwischen Gewinnen und Verlusten bei einem 60/40-Portfolio aber beträchtlich sein, warnen die Experten von UBS. Hohe einstellige reale Renditen wären vor allem dann möglich, wenn die Wirtschaft stark wachse und die Inflation mäßig bleibe. Negative reale Renditen könnten auftreten, wenn es zu einer tiefen Rezession oder einer Stagflation käme.
Die wichtigste Lektion: Anleihen können ein zuverlässiger Diversifikator sein, wenn sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt - aber nicht unbedingt, wenn die Inflation steigt oder zumindest auf einem anhaltend hohen Niveau bleibt. Denn dies würde die US-Notenbank zu weiteren Zinserhöhungen zwingen, wodurch die Aktienkurse einbrechen und der Wert der Anleihen sinken könnte. Selbst wenn sie - Stand Mai 2023 - die höchsten Renditen seit über zehn Jahren erzielen.
Asset Allocation institutioneller Investoren
Die Strategen des BlackRock Investment Institute, der Forschungsabteilung des weltweit größten Vermögensverwalters, raten deshalb dazu, "die traditionellen 60/40 Vermögensallokationen aufzubrechen und sich von breiten Allokationen in öffentliche Aktien und Anleihen zu entfernen". "Diese alten Annahmen spiegeln nicht das neue System wider, in dem wir uns befinden - eines, in dem die großen Zentralbanken die Zinssätze bis in die Rezession hinein erhöhen, um die Inflation zu senken", so die Strategen.
Ähnlich zurückhaltend gibt sich das Finanzdienstleistungsunternehmen Fidelity im Hinblick auf Aktien und Anleihen. Die Volatilität von Unternehmensanteilen dürfte in Q2 2023 aufgrund der Unsicherheit über die Entwicklung der Weltwirtschaft, der gestiegenen Kapitalkosten und Bewegungen bei den Zinssätzen hoch bleiben. Bei (Hochzins-)Anleihen sei das Risiko einer harten konjunkturellen Landung noch nicht voll eingepreist. Die Kreditbedingungen verschärfen sich, die gewichteten, durchschnittlichen Kapitalkosten steigen. Refinanzierung wird für die Unternehmen teurer, und die steigenden Zinssätze wirken sich bereits auf Hypotheken und Kredite aus.
Wie sich Privatanleger jetzt positionieren sollten
Das Ziel für Investoren ist jedoch nach wie vor, durch Diversifikation ein widerstandsfähigeres Portfolio aufzubauen. Trotz der aktuell steigenden Zinsen sind die Renditeziele allein mit festverzinslichen Wertpapieren jedoch in der Regel nicht zu erreichen. Deshalb bauen institutionelle Anleger vermehrt ihre Positionen in alternativen Anlagen wie Private Equity, Immobilien, Infrastruktur und alternativen Sachwerten aus. Aufgrund ihrer geringen Korrelation zu traditionellen Anlageklassen wie Aktien und Anleihen können alternative Anlagen inflations- und rezessionsbedingte Schwankungen abfedern und attraktive Renditechancen bergen.
Dazu zählen neben inflationsgeschützten Staatsanleihen (alternative) Sachwerte wie Gold, Immobilien oder Collectibles. Gerade Immobilien und Sammlerstücke waren als Portfoliobaustein bislang jedoch vor allem Institutionellen oder vermögende Privatanlegern vorbehalten. Dank tokenisierter Sachwertanteile können jetzt jedoch auch Kleinanleger bereits ab 500 Euro von den Renditechancen ausgewählter Vermögenswerte profitieren und sich z. B. ein diversifiziertes Portfolio bestehend aus digitalen Anteilen an Immobilien, Classic Cars, Kunst oder Luxusuhren zusammenstellen.