Provenienz - lückenlose Datenketten als Wertgarantie im Kunstmarkt
Die Nachfrage nach Kunstobjekten steigt in den letzten Jahren rasant, das Angebot hingegen wächst nur langsam. Ein Künstler und seine Werke müssen sich in der Szene zunächst beweisen und eine Reputation aufbauen. Renommierte Kunstobjekte sind aufgrund ihrer Marktstabilität und Wertsteigerung für Privatanleger eine attraktive Anlageklasse, auch wenn sie von Beruf aus keine Kunsthistoriker sind. Worauf gilt es zu achten? Neben der Handelshistorie am Kunstmarkt, zu der unter anderem die gehandelten Auktions- und Galeriepreise gehören, sowie dem Zustand des Kunstobjektes, ist eine lückenlose Provenienz für den Wert des Kunstwerks ausschlaggebend.
Bedeutung und Relevanz von Provenienz
In dem Moment, in dem sich Privatanleger dazu entscheiden, in ein Kunstwerk zu investieren, kommt die Provenienz ins Spiel. Im Allgemeinen bezieht sich der Begriff “Provenienz” auf die Herkunft eines Objekts. In Bezug auf Kunstobjekte wird er verwendet, um seine Besitzverhältnisse lückenlos zu rekonstruieren. Dabei übernehmen diese Aufgabe in der Regel Kunstexperten aus dem Gebiet der Provenienzforschung – staatliche Institutionen wie Museen haben teilweise eigene Abteilungen dafür eingerichtet. Diese Rekonstruierung ist besonders wichtig, um die Echtheit der Werke sicherzustellen und zu dokumentieren, und im selben Zuge Fälschungen aufzudecken.
Die Besitzverhältnisse geben außerdem Auskunft darüber, wer die Kunstwerke zuvor besessen hat. Diese Informationen können ebenfalls zur Wertsteigerung des Kunstobjektes beitragen, da ein namhafter Vorbesitzer die Popularität und Bedeutung deutlich steigern kann. In manchen Fällen ist diese Historie weitaus relevanter als das Werk oder der Künstler selbst, da es ein Stück Geschichte mit sich trägt.
Der Ruhm namhafter Vorbesitzer überträgt sich auf das Kunstwerk
Wie relevant der Name eines Objektbesitzers ist, zeigen einige faszinierende Beispiele aus jüngster Geschichte. „La Bella Principessa“ ist ein Gemälde von Leonardo da Vinci und wurde für 20.000 Euro verkauft – für ein Gemälde des weltberühmten Malers der „Mona Lisa“ ist das ein extrem niedriger Betrag. Gleichzeitig erzielte Picassos „Les Femmes d’Alger“ ganze 179 Millionen US-Dollar – einzig allein dem Unterschied geschuldet, dass dieses Gemälde eine ausführliche Provenienz mit allen Besitzern und Aufbewahrungsorten vorweisen konnte, wo Leonardos „Schöne Prinzessin“ hingegen viele Rätsel aufgibt: Wo hat sich das Bild die letzten 500 Jahre befunden? Warum hat da Vinci das Porträt auf Vellum gemalt? Zweifel und Lücken in der Provenienz schmälern den Wert des kleinen Gemäldes um viele Millionen Euro.
Andersherum kann ein bestätigter prominenter Vorbesitzer alltägliche Objekte zu echten Sammlerstücken machen. Auf einer Auktion im Jahre 1996 wurde ein Schaukelstuhl für 450.000 US-Dollar versteigert, obwohl sein Wert vorab lediglich auf 5.000 US-Dollar geschätzt wurde. Einzig und allein, weil er zuvor im Besitz des US-amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy gewesen ist.
Optimierte Provenienz mithilfe modernster Technologien
Um eine lückenlose Provenienz zu garantieren und im Folgenden eine adäquate Wertermittlung durchführen zu können, ist die korrekte Autorschaft und Datierung notwendig. Dafür werden sämtliche Referenzunterlagen benötigt: Unter anderem Markierungen am Werk, Ausstellungs- und Auktionskataloge sowie Kaufverträge. Diese Dokumente zu erhalten und fehlerlos zu rekonstruieren, ist allerdings nicht immer einfach und kann besonders bei älteren Werken mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Inzwischen sind sogar Kunstfälscher derart raffiniert, dass selbst die zugehörigen Herkunftsbelege gefälscht werden. Das erschwert es Ermittlern, die Fälschung zu erkennen oder überhaupt darauf aufmerksam zu werden.
Mithilfe modernster Technologien kann man die Nachverfolgung der Provenienz heute erheblich verbessern. So kann man zum Beispiel über die Digitalisierung von Auktionskatalogen, die bis dato nicht systematisch gesammelt werden, wichtige Quellen für die Provenienzforschung langfristig erhalten und zugänglich machen. So werden nicht nur Ursprünge und Besitzerwechsel transparent rekonstruierbar. Mithilfe computergestützter Datenanalyse und Datenvisualisierung lassen sich außerdem Verhaltensmuster von Akteuren auf dem Markt und Veränderungen von Preisen nachverfolgen. Auch die Blockchain als dezentrale Register-Methode bietet enormes Potential für die sichere Nachverfolgbarkeit von Besitzverhältnissen.
Für innovative Digitalisierungsprojekte arbeiten Museen und Bibliotheken sogar länderübergreifend zusammen. So vernetzten sich die Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, die Universitätsbibliothek Heidelberg und das Getty Research Institute Los Angeles, um das ambitionierte Projekt der “German Sales 1901-45” mit 830.000 Einträgen zu verwirklichen: 10.000 vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz erschienene historische Auktionskataloge der Jahre 1901 bis 1945 werden nun online und im Open Access bereitgestellt.
Ziel der Provenienz-Untersuchung vom Auftraggeber abhängig
Staatliche und öffentliche Institutionen sind vorrangig daran interessiert, unrechtmäßige Besitzerwechsel aufzudecken und somit Eigentumsansprüche zu klären. Darunter fällt der Bereich der Provenienzforschung, der sich zum Beispiel mit der Raubkunst der NS-Zeit beschäftigt. Aktuellen Schätzungen zufolge befinden sich immer noch etwa 10.000 Kunstwerke im öffentlichen oder privaten Besitz, die bislang noch nicht den rechtmäßigen Eigentümern zurückgegeben wurden.
Private Investoren sind nicht nur an einer Provenienz interessiert, wenn sie gerade vorhaben, ein Kunstobjekt zu kaufen, sondern auch noch viele Jahre nach dem Kauf. Damit möchten sie eine potenzielle Wertsteigerung ermitteln oder eine kunsthistorische Lücke aufarbeiten, die ebenfalls den Wert steigern kann.
Provenienz als unabdingbare Voraussetzung für langfristige Wertsteigerung
Für Anleger, die privaten Vermögensaufbau über ein vielschichtiges Multi-Asset-Portfolio betreiben, bietet sich Kunst als attraktive Ergänzung an. Bei dieser Investition in außergewöhnliche Sachwerte vereinen sich die Aussicht auf langfristige Wertsteigerung mit Prestige und ästhetischem Genuss. Dabei sollten Privatanleger allerdings darauf achten, dass das jeweilige Objekt auch tatsächlich über eine lückenlose Dokumentation seiner Provenienz verfügt. Das garantiert, dass mit dem Kunstwerk sorgsam umgegangen ist und Investoren eine angemessene Werteinschätzung erhalten.