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Quarzkrise: Lehrstück für die Schweizer Uhren-Industrie

Quarzkrise: Lehrstück für die Schweizer Uhren-Industrie

FINEXITY
4 Minuten 
Lesezeit
July 28, 2023

Technisch bedingte Transformationen gab und gibt es in vielen Branchen. So zum Beispiel als Computer die altbewährten Schreibmaschinen und Taschenrechner ersetzten oder als die ersten Mobiltelefone Festnetzanschlüsse ablösten. Was viele nicht wissen: Auch die Uhren-Industrie hatte mit einer technischen Evolution “Made in Asia” zu kämpfen, die vor allem traditionsreiche Hersteller aus Europa betraf. Erfahren Sie mehr über die sogenannte Quarzkrise der 1970er- und 1980er-Jahre und wie ein findiger Unternehmer die Branche in der Schweiz retten konnte.

Wie die Quarzkrise begann

Quarzoszillatoren als Taktgeber haben eine lange Geschichte, die bis in die 1920er-Jahre zurückreicht. Da Quarz unter Einbau einer entsprechenden Energiequelle (Batterie) immer mit der gleichen Frequenz von 32,768 kHz schwingt, wurde diese Präzision schon früh für Schwingquarze verwendet. Zu den Vorreitern bei deren Erforschung zählt der US-Konzern Bell Telephone Laboratories. Zunächst drehte sich die Forschung hauptsächlich um die Stabilisierung der Funkfrequenzen, doch schon bald stellte sich heraus, dass Quarze auch bei der Zeitmessung gute Dienste leisten können. So präsentierten die Amerikaner im Jahr 1928 stolz die erste quarzgesteuerte Uhr der Welt, die präziser als alle mechanischen Uhren war: die sogenannte “Crystal clock“.

In der Nachkriegszeit ersetzten Quarzuhren dann die zuvor verbreiteten Präzisionspendeluhren und wurden immer kompakter. Ausgerechnet die Uhren-Manufaktur Patek Philippe leistete hierzu entscheidende Beiträge. Bereits 1948 gründeten die Schweizer eine Uhren-Forschungsabteilung, die den Wechsel von Mechanik zu Elektronik forcierte. 1959 brachte Patek Philippe dann mit der “Chronotome“ den ersten, tragbaren Quarz-Zeitanzeiger für die Schifffahrt und das Militär auf den Markt.
Doch der anfängliche Innovations-Vorsprung währte nicht lange. Die Herstellung von Quarz-Uhrwerken war sehr teuer und die Schweizer Uhrenindustrie besaß nicht die nötige Flexibilität, um günstigere Produktionsprozesse zu etablieren. So wurden die europäischen Unternehmen bald durch die Konkurrenz aus Asien, insbesondere Japan, abgehängt. 

Präzise Quarzuhren für den Massenmarkt

An den Chronometer-Wettbewerben von 1967 haben neben elf Schweizer Werken (u.a. auch Omega) bereits fünf Quarzwerke des japanischen Herstellers Seiko Suwa teilgenommen. Diese waren qualitativ zwar nicht so hochwertig, verfolgten aber auch ein anderes Ziel: Massenmarkt statt Luxussegment.

Im Jahr 1969 brachte Seiko dann die erste käufliche, allerdings noch sehr teure, Quarzarmbanduhr auf den Markt. Doch die Entwicklung verlief rasant: Bereits Mitte der 1970er-Jahre waren Quarzuhren günstiger als Uhren mit rein mechanischem Uhrwerk. Die Trägheit und das Traditionsbewusstsein der Schweizer führten zum gravierendsten Absatzrückgang, den die Uhrenbranche je erlebt hatte. So lag der Uhren-Weltmarktanteil der Schweiz in den 1960er-Jahren bei über 50 Prozent, sank 1978 aber auf nur noch 24 Prozent. Infolge der Quarzkrise gingen in der Schweiz rund 60.000 Arbeitsplätze verloren und es dauerte bis Anfang der 1980er-Jahre bis der damalige Unternehmensberater Nicolas G. Hayek die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie einläutete.

Swatch rettet Schweizer Uhrenindustrie

Für viele Liebhaber galten elektronische Uhren damals als Inbegriff für billige und anspruchslose Zeitmesser. Doch der Visionär Hayek sah das anders und kritisierte die Branche: “Es fehlt in der Schweiz an Unternehmerpersönlichkeiten mit Mut, Fantasie und Weitsicht.“ Deshalb entschied der von der Regierung und Vertreter von Banken und der Uhrenindustrie beauftragte Berater, betroffene Uhrenhersteller nicht zu verkaufen, sondern zu sanieren. Er schlug vor, die SSIH (Société Suisse de l’Industrie Horlogère SA) und der ASUAG (Allgemeine Schweizerische Uhren AG) zu einer Holding zusammenzufassen und schließlich erwarb Hayek sogar die Aktienmehrheit des neuen Unternehmens. In seiner berühmten “Hayek-Studie“ forderte er schließlich die Produktion und den Vertrieb einer günstigen “Second Watch“, kurz s’watch. Diese preisgünstige Uhr aus Plastik sollte vor allem durch hohe Verkaufszahlen Geld in die Kasse spülen, um der SSIH und der ASUAG aus der Krise zu helfen. Dies war der Ursprung der Swatch AG.

Die modischen und preiswerten Swatch-Kunsstoffmodelle mit Quarzwerk sorgten für frischen Wind und neue Umsätze. Viele Fertigungsstätten waren besser ausgelastet und das Unternehmen gelangte wieder in die Gewinnzone. Dazu kam, dass sich der Schweizer Markt für mechanische Luxusuhren erholte, da im mittleren und oberen Preissegment Quarzuhren kaum ein Thema waren. Schließlich war “Mr. Swatch” sogar in der Lage, namhafte Uhrenmarken wie Blancpain, Breguet oder Glashütte Original zu übernehmen und in die Gruppe zu integrieren. So wurde die Swatch Group zum wichtigsten und größten Unternehmen und Retter der Schweizer Uhren-Industrie.

Quarzuhren im Luxussegment

Noch heute scheiden sich bei der Frage “Quarzuhr, Automatik oder mechanische Uhr” die Geister. Viele Sammler bevorzugen den traditionellen Handaufzug oder Automatik-Antriebe, die in vielen, teuren Luxusuhren verbaut sind. Auch eine Reihe namhafter Uhrenmanufakturen – darunter zum Beispiel Breitling, Chopard, Omega und TAG Heuer – führt neben hochwertigen mechanischen Luxusuhren auch solche mit Quarzwerken im Sortiment. Selbst Rolex hat Ende der 1970er-Jahre eine Quarzuhr auf den Markt gebracht. Mit der Rolex Oysterquartz wollte und musste die Genfer Uhrenmarke dem Zeitgeist folgen. 

“Quarz oder nicht Quarz” ist bis heute primär eine Geschmacksfrage. Sammler und Uhren-Investoren sollten deshalb ihr Augenmerk vor dem Ankauf auf andere Faktoren lenken:  die Manufaktur, das Wertsteigerungspotenzial und den Zustand ihrer favorisierten Luxusuhr.

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