StaRUG-Verfahren Varta – Wenn Aktionären der Totalverlust droht
Vielen Anlegern dürfte das sogenannte StaRUG-Verfahren erst seit der drohenden Varta-Insolvenz ein Begriff sein. Denn das erst am 1. Januar 2021 in Kraft getretene Regelwerk kann zwar Unternehmen vor der Pleite retten, doch Aktionären droht dadurch mitunter der Totalverlust. Erfahren Sie, was genau es mit StaRUG auf sich hat, und welche Vorkehrungen Anleger treffen sollten.
Der StaRUG-Fall Varta
Der traditionsreiche Batteriehersteller steckt schon seit längerem in der Krise. Doch eine Mischung aus der nachlassenden Nachfrage nach bestimmten Batterien in Kombination mit einer starken Konkurrenz aus Fernost, einem Cyberangriff und “hausgemachten” Problemen hat Varta 2024 an der Rand der Insolvenz geführt. Im Juli zog das Unternehmen dann die Reißleine: Der angeschlagene Batteriekonzern, der mehrheitlich dem österreichischen Investor Michael Tojner gehört, hat ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren angemeldet. Mit diesem Restrukturierungsvorhaben nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) soll eine mögliche Insolvenz abgewendet werden. Hierzu muss laut Varta-CEO Michael Ostermann in jedem Fall die hohe Schuldenlast in eine "angemessene Größenordnung" gebracht werden, damit das Unternehmen wieder Spielraum für Investitionen hat.
Im Zuge des StaRUG-Verfahrens ist deshalb ein Schuldenschnitt eine Option. Dies ist eine Vereinbarung zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern, die einen Teil der Schulden erlassen, um die finanzielle Stabilität des Unternehmens wiederherzustellen. Aktuell seien die Gläubiger dazu jedoch nur bereit, wenn ein Kapitalschnitt auf null erfolgt. Dies bedeutet, dass das bestehende Grundkapital auf null herabgesetzt wird und frisches, für die Restrukturierung benötigtes Kapital als Fremdkapital oder Eigen- und Fremdkapital, eingebracht wird. Der Schuldenschnitt würde allerdings ein Delisting, also einen Rückzug von der Börse, nach sich ziehen. Im Klartext bedeutet das für Varta-Aktionäre, dass ihre Unternehmensanteile wertlos werden.
Da StaRUG zum deutschen und europäischen Sanierungsrecht zählt, und für Aktionäre wie beschrieben den Totalverlust bedeuten kann, sollten sich Anleger über die wesentlichen Regelungen des Gesetzes informieren.
StaRUG: Schreckgespenst für Aktionäre
Zunächst einmal stellt sich die Frage, warum es StaRUG eigentlich gibt. Die Regelung wurde im Rahmen der Umsetzung der europäischen Restrukturierungsrichtlinie eingeführt. Beschleunigt durch die COVID-19-Pandemie hat das Bundesjustizministerium 2020 schneller als erwartet einen Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Restrukturierungsrichtlinie vorgelegt, die Unternehmen in Schieflage vor der Insolvenz bewahren kann.
Kurz gesagt ermöglicht StaRUG, auch “präventiver Restrukturierungsrahmen” genannt, Unternehmen, denen die Zahlungsunfähigkeit droht, eine Sanierung ohne Insolvenzverfahren.
Ein entscheidendes Merkmal des StaRUG ist seine Abgrenzung zur Insolvenzordnung. Während beide Regelwerke nebeneinander bestehen, ist das StaRUG speziell auf die frühzeitige Intervention vor einer Insolvenz ausgelegt: Voraussetzung ist, dass das Unternehmen noch nicht akut zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Allerdings muss eine Zahlungsunfähigkeit in den nächsten 24 Monaten drohen, wenn keine geeigneten Sanierungsschritte eingeleitet werden.
StaRUG bietet Unternehmen somit die Chance, in einer Krise umstrukturiert zu werden, ohne dass ein formales Insolvenzverfahren eingeleitet werden muss. Dies geschieht, indem das Gesetz die Umsetzung eines Restrukturierungsplans erlaubt, der unter anderem Verbindlichkeiten anpasst oder restrukturiert. Was so harmlos klingt, kann verheerende Auswirkungen für die Anteilseigner haben. Denn sofern zum Ausgleich der Verluste eine Kapitalherabsetzung auf null (wie bei Varta) notwendig wird, gehen Kleinaktionäre leer aus. Nur Großaktionäre haben die Möglichkeit, eine Kapitalerhöhung zu zeichnen und an der Zukunft des Unternehmens teilzuhaben.
Das StaRUG beinhaltet für die Anteilseigner allerdings theoretisch auch die Chance, mit einem zu leistenden Kapitalbeitrag an der Restrukturierung des Unternehmens mitzuwirken. Dabei muss die Lösung nicht notwendig immer zum Verlust der Aktionärsstellung durch eine Kapitalherabsetzung auf null führen, wenn eine partielle Herabsetzung mit anschließender Kapitalerhöhung genügt. Dies kann mit den weiteren Restrukturierungsbeteiligten, wie z.B. Banken oder Anleihegläubigern, im Rahmen eines gemeinsamen Sanierungskonzepts frühzeitig abgestimmt werden. Dabei ist nicht die Zustimmung aller Gläubiger erforderlich. Eine Mehrheit von 75 % reicht aus.
Jedoch gibt es auch Grenzen und Herausforderungen bei der Anwendung des StaRUG. Beispielsweise dürfen Arbeitnehmerforderungen sowie Rechte aus betrieblichen Altersversorgungen nicht in den Restrukturierungsplan einbezogen werden.
Prinzipiell steht das Sanierungsinstrument allen Unternehmen sämtlicher Branchen offen (mit Ausnahme von Banken und Versicherungen). Sogar natürliche Personen, die unternehmerisch tätig sind, können sich mithilfe des StaRUG sanieren und so einer drohenden Privatinsolvenz entgehen.
Die Leoni AG zählt beispielsweise zu den StaRUG-Pionieren. 2023 sollte der Autozulieferer auf diesem Wege saniert werden. Kleinanleger wurden damals ohne die Möglichkeit, an einer Kapitalerhöhung teilzuhaben, enteignet. Deren Klage wegen nicht zu rechtfertigenden, tiefen Einschnitten bei Gläubigern und Anteilseignern und dem angeblich rechtswidrigen, vollständigen Verlust der Rechtsposition blieb jedoch erfolglos.
Diversifikation und Sachwerte schützen
Für Anleger sind Fälle wie Leoni oder Varta ein Lehrstück. Natürlich kann man über das Für und Wider der StaRUG-Regelung streiten. Doch eines sollte klar sein: Aktien von Unternehmen in Schieflage sind nie ein gutes Investment. Vielmehr sollten sich Anleger auf ein diversifiziertes Portfolio, bestehend aus qualitativ hochwertigen Sachwerten konzentrieren. Dazu zählen neben Aktien bzw. ETFs oder Fonds auch alternative Investments. Also Assetklassen wie Immobilien, Collectibles, Private Equity, Bürgerbeteiligungen oder Infrastruktur. Dank digitaler Anteile sind diese bislang nur vermögenden oder institutionellen Investoren zugänglichen Private Markets jetzt auch Privatanlegern zugänglich und das bereits ab 500 Euro und bei voller, finanzieller Flexibilität.