Förderung von Wind- und Solarparks: Kommt jetzt das Bürgerbeteiligungsgesetz?
Das Klima schützen und damit auch noch Geld verdienen: Diesen Win-win-Gedanken verfolgen sogenannte Bürgerbeteiligungen. Denn die dezentrale erneuerbare Energieerzeugung ist ein wesentlicher Bestandteil der Energiewende, die sich gemeinsam mit den Bürgern effizienter und für alle Seiten zufriedenstellend umsetzen lässt. Vor allem angesichts der leeren Kassen vieler Kommunen. Erfahren Sie, warum finanzielle Bürgerbeteiligungen an Erneuerbaren Energien bald schon gesetzlich verankert sein könnten.
Bürgerbeteiligung: Zusammenarbeit zwischen Staat und Einwohner
Der demografische Wandel in Deutschland führt neben sich massiv verändernden Nachfragegruppen (öffentlicher) Leistungen auch zu Fragen eines ausreichenden Angebotserhalts, dass der Staat allein nicht mehr flächendeckend gewährleisten kann. In diesem Zusammenhang wird der „ermöglichende Staat“ diskutiert, der Strukturen für Engagement schafft, und damit die Selbstorganisation und die Eigenverantwortlichkeit der Bürgergesellschaft ermöglicht. Oder vereinfacht ausgedrückt: Wir entwickeln uns weg vom Wohlfahrtsstaat und hin zu einem Gewährleistungsstaat.
Während staatliche Ressourcen knapp werden, gewinnen Bürger zunehmend an Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit. Sowohl staatliche Institutionen als auch die Bürgergesellschaft erkennen, dass eine partnerschaftliche Zusammenarbeit Chancen für beide Seiten bietet. Die formelle Bürgerbeteiligung wird dabei definiert als gesetzlich vorgeschriebene Beteiligungen der Öffentlichkeit bei bestimmten Entscheidungsverfahren der öffentlichen Hand. Das bekannteste Beispiel ist wohl die formelle Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen des Bauplanungsrechts.
In einer neuen Form der Zusammenarbeit auf Augenhöhe, der finanziellen Bürgerbeteiligung, können Kommunen sowohl auf die Mitgestaltung, als auch auf aktiv beteiligte, kompetente Partner zählen. Diese Entwicklung führt zu innovativen öffentlich-privaten Partnerschaften, bei denen nicht nur der Staat und Unternehmen, sondern auch der Staat und die Bürgergesellschaft voneinander profitieren können. Sowohl hinsichtlich der Einflussnahme auf Infrastruktur-Projekte, als auch der finanziellen Chancen für Privatinvestoren.
Die Möglichkeiten der finanziellen Bürgerbeteiligung sind aktuell vielfältig:
Ein bekanntes Modell ist der geschlossene Fonds, bei dem sich Anleger an einer Kommanditgesellschaft beteiligen, die ein bestimmtes Vorhaben entwickelt oder erwirbt, wie zum Beispiel einen Windpark. Anleger haben Mitspracherechte und erhalten Gewinnanteile. Größere Projekte können auch durch die Ausgabe von Aktien finanziert werden. Genossenschaften sind ähnlich wie geschlossene Fonds gestaltet, jedoch fällt Körperschaftsteuer an. Dennoch sind sie aufgrund niedrigerer Erstellungskosten für Prospekte und des gemeinschaftlichen Charakters beliebt. Für rein wirtschaftliche Beteiligungen ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten bieten sich Darlehen an. Anleger können sich über Zweckgesellschaften mit festen oder variablen Zinsen oder partiarischen Darlehen beteiligen, ohne dass ein Verkaufsprospekt erforderlich ist. Alternativ können auch Schuldverschreibungen oder Genussscheine ausgegeben werden.
Bei der Finanzierung von Wind- und Solarparks geht es dabei um viel Geld. Eine aktuelle Studie des Landesverbandes Erneuerbare Energien (LEE) zeigt, dass zum Beispiel neue Windparks Millionen in die Kassen der Kommunen spülen - während Bürger jedoch oft noch benachteiligt sind.
Geldquelle Wind- und Solarparks
Die Untersuchung hat beispielhaft den Landkreis Rotenburg/Wümme in den Blick genommen, wo in den kommenden Jahren besonders viele Windräder gebaut werden sollen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die Einnahmen aus Windkraftanlagen über die Lebensdauer eines Windrads (20 Jahre) mit bis zu zwei Millionen Euro pro Windrad beträchtlich sein können. Die Erlöse beinhalten dabei Gebühren, Gewerbesteuern und die geplante Akzeptanz-Abgabe für Gemeinden. Lokale Wirtschaftsbetriebe könnten ebenfalls profitieren, etwa durch Aufträge für Bauarbeiten und Pachtverträge mit Landwirten. Insgesamt dürften bis zum Jahr 2040 durch neue Windparks bis zu 1,1 Milliarden Euro im Landkreis Rotenburg verbleiben, hauptsächlich zugunsten des Landkreises und der Gemeinden.
Da vor allem jedoch die Bürger vom Bau der Wind- oder auch Solarparks betroffen sind, sollen diese auch an den Profiten aus Windenergie beteiligt werden. Bundesweit ist das auf freiwilliger Basis schon möglich. Jetzt arbeiten jedoch mehrere Bundesländer an Gesetzen, damit Anwohner künftig an den Gewinnen aus Wind- oder Solarstrom partizipieren.
Bürgerbeteiligung per Gesetz
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg waren die ersten Bundesländer mit sogenannten Beteiligungsregelungen für den Bau von Windkraftanlagen. Den Weg geebnet hat dafür im vergangenen Jahr das Bundesverfassungsgericht. Die Richter urteilten im Fall von Mecklenburg-Vorpommern, dass eine "Pflicht zur Beteiligung von Anwohnern und standortnahen Gemeinden an Windparks im Grundsatz zulässig" sei.
Das vorgeschlagene Beteiligungsgesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien in Niedersachsen zielt beispielsweise darauf ab, Kommunen und Bürger stärker am wirtschaftlichen Erfolg solcher Projekte zu beteiligen. Dies könnte über Bürgerenergiegenossenschaften, Energiesparbriefe, Gesellschaftsanteile, Crowdfinanzierung, niedrigere Strompreise, Bürgerenergie-Stiftungen oder andere innovative Beteiligungsmodelle erfolgen.
Die Betreiber von großen Windparks und Freiflächen-Solaranlagen würden außerdem dazu verpflichtet, 0,2 Cent pro Kilowattstunde erzeugtem Strom dauerhaft an die betroffenen Gemeinden zu zahlen. Dadurch soll die Wertschöpfung in ländlichen Gebieten durch den Ausbau erneuerbarer Energien erheblich erhöht werden. Die Einnahmen aus dieser Abgabe müssten von den Kommunen verwendet werden, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu unterstützen und die Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Die Verwendung der Gelder müsste jährlich offengelegt werden. Durch dieses Gesetz sollen die Menschen in ländlichen Gebieten von den Vorteilen des Ausbaus erneuerbarer Energien profitieren und gleichzeitig dazu ermutigt werden, sich aktiv an der Energiewende zu beteiligen.
Der Gesetzentwurf erntet allerdings auch Kritik: Zwar existiert eine Beteiligungspflicht für die Anlagenbauer, die den Bürgern und den Kommunen insgesamt 20 Prozent Beteiligung anbieten müssen. Für diese Kaufberechtigung gibt es aber Einschränkungen: Bürger müssen im Fünf-Kilometer-Umkreis von der Windkraftanlage gemeldet sein. Beteiligen können sich weiterhin noch Bürgerenergiegenossenschaften.
Die finanzielle Bürgerbeteiligung in unterschiedlichen Gestaltungsformen kann einen erheblichen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten - wenn die Beteiligungsmodelle die Gegebenheiten vor Ort reflektieren, der Strategie des Projektträgers entsprechen und den Erwartungen der Bürger und Investoren gerecht werden.