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Grundwissen Geldanlage

Was ist eigentlich ESG-Investing?

Gute Rendite und ein gutes Gewissen: Diese zwei Aspekte versuchen ESG-Anleger miteinander zu verbinden, indem sie bevorzugt in Vermögenswerte investieren, die Faktoren wie Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung berücksichtigen. Doch was genau ist eigentlich ESG-Investing? Und was müssen Anleger beachten?

January 26, 2024
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FINEXITY
AG
Redaktion

Diese ESG-Faktoren machen den Unterschied

Die Ursprünge des ESG-Investings reichen bis in die 1930er-Jahre zurück. Schon damals begannen einige Investoren, ethische Überlegungen in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen, indem sie bestimmte Branchen oder Unternehmen ausschlossen, die als unethisch oder gesundheitsgefährdend betrachtet wurden. Das erste Anlageinstrument, das sich selbst als “verantwortungsvoll“ bezeichnete, war der 1928 aufgelegte US Pioneer Fund. Schon damals wurden bei dem Anlagekonzept Unternehmen aus den Bereichen Glücksspiel, Tabak und Alkohol konsequent ausgeschlossen.

In den darauf folgenden Jahrzehnten nahm die öffentliche Diskussion über die ökologischen Folgen von unkontrolliertem Wirtschaftswachstum erheblich an Fahrt auf, und Umweltaspekte begannen in den 1990er Jahren stärker in den Anlegerfokus zu rücken. Die Verabschiedung der insgesamt 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) durch die UN-Generalversammlung am 25. September 2015 bedeutete einen Durchbruch für die internationale Unterstützung von Nachhaltigkeitszielen.

Heute berücksichtigen institutionelle und private Anleger ESG-Faktoren, um sicherzustellen, dass ihre Investitionen neben Renditechancen auch positive soziale- und Umweltauswirkungen haben. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die klare Abgrenzung zwischen “echten” ESG-Anlageformen und synonym verwendeten Begriffen, die oft nur werblichen Charakter haben. Dazu zählen beispielsweise “ethische Geldanlage”, “sozial verantwortliches Investieren”, “grüne Geldanlage”, “nachhaltiges Investieren” oder “Impact Investing”

Diese suggerieren zwar, dass der Finanzsektor nicht nur gewinnorientiert handeln sollte, sondern zugleich einen Beitrag zur Erreichung langfristiger gesellschaftlicher und ökologischer Ziele leisten sollte. ESG-Investing geht jedoch weit darüber hinaus: Es formuliert konkrete Ziele und objektive Kriterien für die Auswahl von Investments, die geeignet sind, soziale und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Das sind die Hauptkomponenten von ESG:

  • Umwelt (Environment): Dies bezieht sich auf die Auswirkungen einer Organisation auf die Umwelt. Dies kann den Energieverbrauch, den CO2-Ausstoß, den Wasserverbrauch, den Umgang mit Abfällen und andere umweltbezogene Faktoren umfassen.
  • Soziales (Social): Dies betrifft die sozialen Aspekte einer Organisation in Bezug auf ihre Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und die Gemeinschaften, in denen sie tätig ist. Themen können hier Arbeitsbedingungen, Arbeitsrechte, Vielfalt und Inklusion, Menschenrechte und soziales Engagement sein.
  • Governance: Dies bezieht sich auf die Art und Weise, wie eine Organisation geführt und kontrolliert wird. Governance-Faktoren können die Zusammensetzung des Vorstands, die Transparenz der Unternehmensführung, die Entschädigungspraktiken und die ethischen Richtlinien umfassen.

Schwache Konjunktur drückt ESG-Fondsvermögen 

Diese Nachhaltigkeitsziele haben zahlreiche Investoren angezogen. Deshalb haben beispielsweise die Märkte für ESG-Anleihen in den vergangenen sieben Jahren ein atemberaubendes Wachstum des Angebots verzeichnet. Im Jahr 2021 wurde ein Höchststand von einer Billion Euro an selbst gekennzeichneten ESG-Anleihen erreicht. Angesichts der hartnäckigen Inflation, der hohen Zinssätze und der Rezessionsängste war der ESG-Markt 2023 rückläufig. Weltweit sammelten nachhaltige Fonds im dritten Quartal 2023 rund 14 Milliarden Dollar ein, gegenüber 23,7 Milliarden Dollar im zweiten Quartal 2023. Das verwaltete Vermögen sank im Vergleich zum Vorquartal aber um 4,2 % auf 2,7 Billionen Dollar.

Mit 85 % des globalen nachhaltigen Fondsvermögens nimmt Europa weiterhin den größten Anteil an der nachhaltigen Fondslandschaft ein. Es bleibt auch der mit Abstand am weitesten entwickelte und diversifizierte ESG-Markt, gefolgt von den Vereinigten Staaten.

Vorsicht vor “Greenwashing”

Im milliardenschweren ESG-Markt sind Ratings von Agenturen wie z.B. MSCI, Refinitiv oder Sustainalytics (Morningstar) ein wichtiges Hilfsmittel zur Beurteilung nachhaltiger Geldanlagen. Konkret stellen sie Bewertungsinstrumente dar, die die Unternehmensleistung in Bezug auf ESG messen. Da es keine einheitliche Definition zu ESG gibt, besteht jedoch die Gefahr, dass diese ESG-Ratings auch zum sogenannten “Greenwashing” beitragen können. 

Die Funktionsweise von ESG-Ratings umfasst in der Regel fünf Schritte:

  1. Beschaffung von Daten: ESG-Ratingagenturen sammeln Informationen über Unternehmen aus verschiedenen Quellen.
  1. Gewichtung und Priorisierung: Die ESG-Faktoren werden gewichtet und priorisiert, je nach ihrer Relevanz für die jeweilige Branche und Region.
  1. Datenanalyse: Die gesammelten Daten werden hinsichtlich der ESG-Faktoren analysiert.
  1. Berechnung eines ESG-Scores: Basierend auf der Datenanalyse und der Gewichtung der Faktoren erstellt das Ratingunternehmen einen ESG-Score für das betreffende Unternehmen. 
  1. Veröffentlichung: Die ESG-Ratingagenturen veröffentlichen die ESG-Scores und Analyse, die Investoren bei ihrer Anlageentscheidung unterstützen kann.

Mittlerweile veröffentliche viele Unternehmen umfassende ESG-Berichte, und Anleger nutzen Ratings und andere Instrumente, um ESG-Praktiken zu bewerten. Auch Regierungen und Aufsichtsbehörden erkennen die Bedeutung von ESG-Faktoren für eine nachhaltige Wirtschaft an.

Doch mit dem ESG-Boom steigt auch die Zahl der Greenwashing-Vorwürfe, die sich sowohl gegen Ratingagenturen als auch gegen Nicht-Finanzunternehmen richten. Dies führt dazu, dass die Politik und die Aufsichtsbehörden den Markt stärker regulieren wollen. Im Juni 2023 stellte die Europäische Kommission beispielsweise neue Regeln für ESG-Ratinganbieter vor. Demnach müssen Ratingagenturen z.B. ihre Gewichtung der E-, S-, und G-Bereiche offenlegen und angeben, ob ein Rating absolut oder relativ ist. 

Auch in den USA sind Initiativen geplant: Die US-Bundesvorschriften zur Offenlegung von Klimadaten werden voraussichtlich im Jahr 2024 endgültig sein und ab 2026 in Kraft treten. Die Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (SEC) wird dann von börsennotierten Unternehmen einen höheren Standard an Klimadaten-Transparenz verlangen.