Wie digitale Plattformen den Kunstmarkt verändern
Die Digitalisierung beeinflusst sowohl die Art und Weise, wie Künstler Kunst schaffen, als auch den Markt und dessen Zugänglichkeit. Digitale Plattformen fungieren als Mediatoren und Multiplikatoren: Sie bringen Galerien und Kunden zusammen und öffnen Künstlern und Kleininvestoren einen globalen Markt, der früher nur großen internationalen Akteuren vorbehalten war.
Ein Galeriebesuch war für Kunstinteressierte trotz Coronapandemie noch lange möglich: Galerien durften auch im November 2020 noch ausstellen, Besucher empfangen und Kunstwerke verkaufen. Denn im Gegensatz zu Museen oder Theatern, die als Freizeiteinrichtungen klassifiziert werden, haben Galerien den Einzelhandels-Status. Trotz Mangel an kulturellen Alternativen blieb der erhoffte Ansturm auf Galerien und damit verbundene Umsätze jedoch aus.
Zum einen, weil die kaufkräftige Gruppe ausländischer Kunstliebhaber wegen der weltweiten Reisebeschränkungen größtenteils wegfiel. Laut der Galerienstudie 2020 des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler e. V. (BVDG) erzielen große Galerien 40 % des gesamten Umsatzes mit internationalen Kunden, in Berlin sogar mehr als die Hälfte (52 %).
Zum anderen zählen Sammler bislang häufig zu einer älteren Zielgruppe, die vielfach aufgrund des Infektionsrisikos Menschenansammlungen mied und deshalb den Kunstgenuss und -ankauf über 2020 hinaus verschob. Allerdings hat die Coronapandemie durch die Einschränkung von Präsenzveranstaltungen und physischer Kontakte auch neue Trends wie Online-Viewing Rooms, Online-Auktionen oder Verkaufskontakte über digitale Kanäle wie Plattformen oder Social Media befördert.
Digitale Disruption erreicht den Kunstmarkt
Aufgrund der einschneidenden Auswirkungen der Coronapandemie setzten deutsche Galerien laut der Galeriestudie im ersten Halbjahr 2020 nur 336 Millionen Euro um und erwarten im Durchschnitt für das Gesamtjahr mehr als 40 % Verlust. Ein herber Rückschlag für einen an und für sich wachstumsstarken Markt, denn die hiesige Galerie-Branche konnte ihren Umsatz 2019 im Vergleich zu einer Erhebung 2012 von 450 auf 890 Millionen Euro fast verdoppeln. Besonders bemerkenswert: Etwa 15 % der Umsätze wurden 2019 online erzielt, während digitale Plattformen 2012 noch keine nennenswerte Rolle spielten.
Die zunehmende Digitalisierung ist vor allem für kleinere Galerien begrüßenswert. Denn diese unterliegen besonders großen, wirtschaftlichen Risiken: Sie tragen relativ hohe Fixkosten für repräsentative Räume in 1a-Metropol-Lagen bei vergleichsweise geringen Umsätzen.
Dazu kommen teils exorbitante Kosten für Messeteilnahmen. Wegen des Wegfalls wichtiger, aber zugleich kostspieliger und somit riskanter Kunstmessen wie der Art Cologne stieg 2020 allerdings sogar die Profitabilität mancher Galerien. Diese erzielten zwar weniger Umsatz, konnten aber 40–50 % Messebudget einsparen.
Der Wegfall physischer Messen als Präsentationsplattform forcierte zudem den digitalen Kunstmarkt, was längerfristig zu einer deutlichen Reduktion der weltweit über 300 Kunstmessen sowie teuren, permanenten Ausstellungsflächen führen könnte. Denn virtuelle Ausstellungsräume, animierte Gemälde und Online-Bestellung funktionieren nicht nur im großen Rahmen, sondern auch für kleinere Galerien.
Galerien brauchen mehr Kooperation statt Konkurrenz
Neben neuen, digitalen Geschäftsmodellen gewannen im vergangenen Jahr auch Kooperationen großer und kleiner Galerien an Bedeutung, die schlussendlich für alle Parteien gewinnbringend sind. So beschreibt beispielsweise der „Hiscox online art trade report 2020“, wie weltweit führende Kunsthäuser zu Plattformen werden, die kleineren Galerien und Kunstmessen anbieten, ihre Räumlichkeiten und digitale Ressourcen für Ausstellungen und den Verkauf ihrer Werke zu nutzen. So schuf beispielsweise David Zwirner mit der sogenannten “Platform” zunächst eine Präsenz für New Yorker Galerien, die schließlich auch auf London, Paris und Brüssel erweitert wurde.
Obwohl sich Ausstellungs- und Begegnungsorte für Sammler zunehmend von realen auf virtuelle Orte verlagern, hat der klassische Galerieraum noch seine Berechtigung. Denn Netzwerken und die langfristige Kontaktpflege mit Künstlern und Kunden ist gerade für junge, noch nicht etablierte Galerien besonders wichtig. Zum einen, weil visionäre Galeristen Talente erkennen und aufbauen können. Zum anderen, weil Galerien auf langfristige Vermittlungskompetenz und eine wachsende Kundschaft loyaler Sammler angewiesen sind.
Von etwa 14.000 Künstlern, die von deutschen Galerien in rund 4.000 Ausstellungen pro Jahr präsentiert werden, vermarkten nur wenige ihre Kunst selbst. Die überwiegende Mehrheit der Kunstschaffenden ist auf Galerien als “Katalysator” angewiesen, die ihre Werke ausstellen und verkaufen. Deren Geschäftserfolg ist jedoch häufig abhängig von einigen wenigen Sammlern aus dem Galerie-Netzwerk.
Digitale Plattformen verbinden Künstler und Investoren
Für den Kunstmarkt wäre es deshalb von Vorteil, wenn durch die Digitalisierung Grenzen durchlässiger und Marktschranken beseitigt werden und sich regionale Kunstmärkte global positionieren können. Hierdurch wäre es möglich, Künstler zu stärken und Kunstinteressierten Sammlern auf der ganzen Welt leichter zugänglich zu machen.
Entsprechend bieten virtuelle Showrooms und Online-Auktionen einen echten Mehrwert für Aussteller und Sammler: Sie machen Kunst weltweit zugänglich, vermitteln Informationen und bieten Verkaufs- und Investitions-Lösungen. Digitale Plattformen können dabei eine Schlüsselstellung einnehmen, indem sie Partnernetzwerke aus Galerien, Kunstexperten, Gutachtern und Versicherern zusammenbringen und eine optimale Auswahl der Kunstobjekte ermöglichen. Darüber hinaus können Investoren aktiv an ihrem Investment teilhaben, indem sie die Kunstwerke über interaktive Ausstellungen oder Besichtigungen ansehen können. Mit innovativen digitalen Lösungen wie tokenisierten Wertpapieren können auch Kleinanleger mit geringen Summen in Kunstwerke investieren.
Ob analog oder digital: Kunst erfreut sich wachsender Beliebtheit, wird immer einen hohen, emotionalen Wert haben und gilt deshalb als prestigeträchtige sowie wertstabile Komponente im Portfolio.