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Balkenhol in Hamburg: Stille Betrachter zu Land und zu Wasser

Den Figuren des Bildhauers Stephan Balkenhol kann man in Straßburg, Rom, Meran, Leipzig und Berlin begegnen. Seiner früheren Wahlheimat Hamburg hat der international renommierte Bildhauer und Holzfigurenschnitzer jedoch ein ganz besonderes, künstlerisches Erbe vermacht: In der Hansestadt stehen verteilt über die Stadt gleich mehrere seiner Skulpturen, die sich durch ihre einfachen und stilisierten Formen auszeichnen und oft einen neutralen Gesichtsausdruck und schlichte Kleidung aufweisen. Sie sind ein Angedenken an die Stadt, in der der Künstler “16 prägende Jahre“, unter anderem an der Hochschule für bildende Künste, verbracht hat. Seine teils meterhohen Arbeiten befassen sich mit Themen der menschlichen Identität, der Individualität und der Beziehung zwischen Menschen und ihrer Umwelt. Erfahren Sie, welche stillen Bewohner aus Balkenhols Werkstatt Hamburg bevölkern.

July 7, 2023
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Redaktion

“Vier Männer auf Bojen”

Die auf der Elbe schwimmenden Skulpturen des Künstlers Stephan Balkenhol zählen zu den bekanntesten öffentlich zugänglichen Kunstwerken in Hamburg. Anfang der 1990er-Jahre hat die Stadt Hamburg bei Balkenhol vier Skulpturen in Auftrag gegeben, die anschließend auf der Elbe (Oevelgönne), Süderelbe, Außenalster und im Serrahn in Bergedorf auf Flachwassertonnen montiert wurden. Weil Wind und Wetter den ursprünglich aus Eichenholz gefertigten Männern schwer zugesetzt haben, hat Balkenhol alle Figuren aus Aluminium neu gefertigt, sodass sie der Stadt und ihren Besuchern dauerhaft erhalten bleiben.

Pro Figur brauchte der Künstler rund einen Monat. Äußerlich unterscheiden sich die Bojenmänner nicht von ihren Vorgängern. Es sind Herren mittleren Alters, in schwarzer Hose, weißem Hemd und mit neutralem Gesichtsausdruck. Sie blicken in die Ferne und lassen dem Betrachter viel Interpretationsspielraum. Oder wie Balkenhol es einmal formulierte:

"Die Menschen, die ich darstelle, sind eben sehr indifferent im Ausdruck. Man könnte dann beim Betrachten denken, dass sie vielleicht im nächsten Moment anfangen, was zu machen. Zu lächeln - oder nicht. Und das finde ich viel spannender und lebendiger, als wenn ich die Figur jetzt auf einen expressiven Ausdruck festnageln würde."

Die Skulpturen werden jedes Jahr von Frühjahr bis Spätherbst an ihren angestammten Plätzen zu Wasser gelassen. Im Winter werden die Männer auch künftig mit ihren Schwimmtonnen aus dem Wasser geholt, um sie vor Eis zu schützen.

“Mann und Frau”

Vor der Zentralbibliothek stehen zwei weitere Balkenhol-Bronzefiguren, die von der Stadt Hamburg in Auftrag gegeben wurden: “Mann und Frau” - die Skulpturen eines Mannes und einer Frau, die mit ihren überlangen Beinen gut fünf Meter in die Höhe ragen. Der Mann trägt - wie so oft bei Balkenhol - eine schwarze Hose und ein weißes Hemd. Seine Begleiterin ein kurzes, rotes Kleid. Sie wenden dem Eingang des Gebäudes den Rücken zu und blicken scheinbar desinteressiert ins Weite. 

Seit dem Umzug der Bibliothek im Jahr 2004 an den Arno-Schmidt-Platz steht das Bronzepaar an diesem Ort “wie selbstverständlich” und hat wohl schon so manchen Passanten zum Nachdenken angeregt.

“Giraffe mit Mann”

An der Kreuzung vor dem Tierpark Hagenbeck steht seit 2001 eine von Balkenhols Giraffen-Skulpturen: “Giraffe mit Mann” zeigt einen kleinen Mann, der sich mit Armen und Beinen an den Hals einer fast neun Meter hohen Giraffe klammert. Die Skulptur kostete insgesamt 560.000 DM, von denen die Kulturbehörde 60.000 DM finanziert hat und der Tierpark Hagenbeck die restlichen 500.000 DM, um sich mit dieser Eigenwerbung als Kulturförderer zu präsentieren.

Doch im Lauf der Jahrzehnte ist die Kulturbegeisterung herber Kritik gewichen. Da der Hautton der Bronzeskulptur altersbedingt nachgedunkelt ist, sahen manche Politiker und Besucher darin keinen heiteren Blickfang mehr, sondern ein Ärgernis. 2020 stellten verschiedene Pressemedien dann die Frage: Zeigt die Skulptur einen Zoobesucher, der begeistert sein Lieblingstier umarmt und ist somit ein Symbol für ein gutes Miteinander von Mensch und Tier? Oder wird hier ein farbiger Mann dargestellt, der als exotische Attraktionen vorgeführt wird - also einem rassistischen Kontext entspringt?

Stephan Balkenhol selbst äußerte sich zu der Kritik und meinte, die Unterstellung, dass das Werk rassistisch sei, wäre absurd. Der Mann wäre gar nicht schwarz, sondern weiß und die Skulptur hätte einfach nur gereinigt werden müssen, um zur originalen Bronzefarbe zurückzukehren.

Zudem wissen Kenner des Künstlers, dass es sich bei seinen Figuren immer um ganz neutrale “Jedermänner“ handelt, die bewusst auf die Darstellung individueller Eigenschaften verzichten. Balkenhol will mit seinem Werk eben kein Statement setzen, sondern einen Gedankenraum für den Betrachter öffnen: „Dabei wollte ich Bildwerke schaffen, die sich - abgesehen von der Figuration - jeder Schublade entzogen: kein expliziter Rückgriff auf die Tradition, keine Botschaften jeglicher Art, keine starke Expressivität.“