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Grundwissen Geldanlage

Steht die Vermögenssteuer vor einem Revival?

Das Thema Vermögensteuer erlebt pünktlich zur Bundestagswahl 2021 eine Renaissance. Die Grundidee lautet dabei „wer hat, der gibt” oder anders formuliert: Vermögende sollen entsprechend ihrer besonders guten wirtschaftlichen Lage und Leistungsfähigkeit stärker an der Finanzierung der Staatsaufgaben beteiligt werden. Politisch und gesellschaftlich ist die Vermögenssteuer, die teils auch in anderen europäischen Ländern eingeführt bzw. erprobt wurde, jedoch umstritten. Erfahren Sie, welche Auswirkungen eine mögliche „Reichensteuer” hätte und was Anleger bereits jetzt tun können.

September 17, 2021
7
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FINEXITY
AG
Redaktion

Vermögenssteuer in der Vergangenheit verfassungswidrig

Die Vermögenssteuer hat in Deutschland eine lange Historie. Erstmals wurde sie im Jahr 1893 mit dem Preußischen Ergänzungssteuergesetz eingeführt. Das Deutsche Reich erhob mit dem Wehrbeitrag (1913) und der Kriegsabgabe (1918) Vermögensabgaben. Um die Staatsschulden nach dem Ersten Weltkrieg zu tilgen, mussten Reiche ab 1919 eine einmalige Vermögenssteuer zahlen. Ab 5.000 Mark betrug diese zehn Prozent und steigerte sich mit zunehmendem Vermögen. Ab sieben Millionen Mark sollten sogar 65 Prozent gezahlt werden. 

1922 wurde ein neues Vermögenssteuergesetz mit regelmäßigen Abgaben bekannt gegeben. Zum steuerpflichtigen Vermögen zählten damals auch Immobilien und Grundbesitz sowie Edelmetalle, Perlen, Edelsteine, Schmuck und Kunstsammlungen. Doch das Konzept scheiterte, da viele Vermögende ihr Kapital ins Ausland brachten oder Zahlungen hinauszögerten.

1952 beschloss der Deutsche Bundestag das Vermögenssteuergesetz, welches bis heute formal in Kraft ist. Ab 1978 betrug der Steuersatz für natürliche Personen 0,5 Prozent und für juristische Personen 0,7 Prozent (0,6 Prozent ab 1984). In den neuen Bundesländern wurde die Vermögenssteuer nach der Wiedervereinigung nicht erhoben. 1995 stieg der Vermögenssteuersatz für natürliche Personen von 0,5 auf 1,0 Prozent.

1997 wurde die Vermögenssteuer abgeschafft, nachdem das Bundesverfassungsgericht sie wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig erklärt hatte. Vereinfacht gesagt entschieden die Richter, dass der Staat den Bürgern nicht mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen wegnehmen darf. Bei hohen Einkommen sorgte jedoch schon allein die Einkommensteuer für eine solche Belastung. Ein weiteres Argument lautete, dass Immobilienbesitz gegenüber Bargeld bevorzugt worden sei. Da der Wert von Liegenschaften in Westdeutschland nach einer Tabelle von 1964, in Ostdeutschland nach einer von 1935 ermittelt wurde, war Grundbesitz zuletzt nur noch mit durchschnittlich zehn Prozent der tatsächlichen Marktwerte in die Vermögenssteuern eingegangen. Geldvermögen wurde dagegen real besteuert. Deshalb urteilt 1995 das Bundesverfassungsgericht: „Die Bemessungsgrundlage muss sachgerecht bezogen sein und deren Werte in ihrer Relation realitätsgerecht abbilden."

Wegen des komplizierten neuen Bewertungsverfahrens verzichtete die Regierung 1997 schließlich ganz auf die Vermögenssteuer, die jedoch theoretisch bis heute Bestand hat. 

Seitdem werden immer wieder Vorschläge zur Wiedererhebung der Vermögensteuer diskutiert, zumal sich das Geldvermögen privater Haushalte in Deutschland – unter anderem aufgrund des Konsumstaus durch die Coronapandemie – kontinuierlich erhöht. Ende 2020 hat das Geldvermögen der privaten Haushalte mit knapp sieben Billionen Euro einen neuen Rekordwert erreicht. Damit steigt das Vermögen der Deutschen bereits zum zwölften Mal in Folge, während der Staatshaushalt pandemiebedingt Defizite schreibt.

Ausgestaltung der Vermögenssteuer 2.0

Um dem Staat mehr Einnahmen zu bescheren und die in der Corona-Krise deutlich gestiegenen Schulden abzutragen, befürworten einige Parteien aktuell ein Comeback der Vermögenssteuer. 

Die Grünen, die SPD und die Linken sind für eine solche Steuer und nennen auch konkrete Zahlen. Die Vermögensgrenze liegt bei den Grünen bei über zwei Millionen Euro, bei den Linken oberhalb einer Million Euro. Alle wollen das Vermögen mit einem Prozent pro Jahr versteuern, dabei aber Ausnahmen für Betriebsvermögen machen. Bei den Linken ist ein Anstieg auf fünf Prozent ab einem Vermögen von 50 Millionen Euro vorgesehen.

Die FDP, die CDU und die AfD stimmen nicht zu. Für die FDP wäre eine Vermögenssteuer ein „Hemmschuh bei der Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie“. Die CDU/CSU sieht eine Belastung der Betriebsvermögen und damit die Arbeitsplätze für alle gefährdet.

Eine generelle Schwierigkeit ist die Bewertung des Vermögens. Bei Aktien oder Spargeld ist eine Einschätzung relativ einfach, wohingegen der Wert von Grundstücken, Betriebsvermögen oder gar Kunstgegenständen regelmäßig ermitteln werden müsste und große Spielräume zulässt.

Bei CDU und FDP teilt man dennoch den Ansatz der Immobilienbesteuerung, die allerdings bereits mit der reformierten Grundsteuer weitgehend abgegolten sein sollte: „Der weltweite Trend geht dahin, das Vermögen zu besteuern, das am einfachsten zu bewerten ist, nämlich Immobilien – und andere Vermögenswerte nicht oder nur sehr gering und dann pauschal zu besteuern“.

Die Neueinführung einer Vermögensteuer würde Geld „gerechter” umverteilen, argumentieren Befürworter. Skeptiker befürchten jedoch, dass Reiche auswandern, ihr Vermögen in Steuerparadiese bringen und Betriebe ins Ausland verlegt werden könnten, wodurch für den Staatshaushalt sogar negative Effekte möglich sind. Wird Vermögen dagegen weiterhin investiert bzw. angelegt, erhält die Bundesregierung über die Kapitalertragsteuer Zuflüsse aus dem Vermögen.

Vermögenssteuer in der EU: getestet und wieder abgeschafft

Auch im internationalen Vergleich ist die Vermögensteuer kein Garant für volle Staatskassen: Die Mehrzahl der EU- und OECD-Staaten hat eine solche Steuer nie erhoben oder wieder abgeschafft. Ein Blick nach Frankreich lehrt, dass die Vermögenssteuer sogar ein Verlustgeschäft sein kann. Eingeführt hatten die „Impôt de Solidarité sur la Fortune" (ISF) die Sozialisten im Jahr 1981. Sie betraf alle Privatpersonen mit einem Vermögen von mehr als 1,3 Millionen Euro (rund 340.000 Franzosen). Daraufhin entschieden sich viele von ihnen, das Land zu verlassen. Schätzungen zufolge sollen auf diese Weise jedes Jahr bis zu sieben Milliarden Euro ins Ausland geflossen sein – bei jährlichen Steuereinnahmen von vier bis fünf Milliarden Euro. Ökonomen zufolge kostete die Abgabe Frankreich bis zu ihrer Abschaffung 2018 pro Jahr 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum. Mit der Umwandlung in eine reine Immobiliensteuer oberhalb einer Grenze von 1,3 Millionen Euro des weltweiten Immobilienvermögens verabschiedet sich Frankreich 2018 von der unrentablen ISF.

In den meisten Ländern werden jedoch vermögensbezogene Steuern erhoben, wie zum Beispiel die Grundsteuer auf den Immobilienwert (vor Abzug von Schulden), die Grunderwerbsteuer auf Grundstücksverkäufe oder die Erbschaftsteuer auf Erbschaften und Schenkungen zwischen Personen. Nach Ansicht von Experten könnten vermögensbezogene Steuern (insbesondere Erbschaftsteuer und Grundsteuer), die auf besonders Reiche zugeschnitten sind, etwa 15 Milliarden Euro jährlich erbringen, ohne dass größere wirtschaftliche Nachteile für Deutschland durch Kapitalflucht entstünden.

Sachwerte als Vermögensschutz

Ob und in welchem Umfang die neue Bundesregierung eine Vermögenssteuer einführen wird, ist aktuell noch nicht abzusehen. Anleger sollten sich jedoch idealerweise schon jetzt absichern und in alternative Assets investieren, die möglicherweise nicht von der Vermögenssteuer tangiert werden. Dazu zählen beispielsweise tokenisierte Sachwerte wie Immobilien, Classic Cars, Fine Wine, Kunst und Diamanten (Security Token). Dabei handelt es sich um die digitalisierte Abbildung eines (Vermögens-)Wertes inklusive der in diesem Wert enthaltenen Rechte und Pflichten sowie dessen hierdurch ermöglichte Übertragbarkeit. 

Security Token stellen im deutschen Steuerrecht keine privaten Wirtschaftsgüter dar, sondern unterliegen je nach Ausgestaltung als eigen- oder fremdkapitalähnliche Wertpapiere der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Steuerlich werden Security Token also ähnlich wie Aktien behandelt, deren Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne im Ergebnis der Abgeltungssteuer von 25 Prozent unterliegen.