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Grundwissen Geldanlage

Open Banking: Nachhaltigkeit bei niedriger Kostenkurve

Um sich bereits jetzt auf das “new normal” nach der Corona-Pandemie vorzubereiten, sollten Finanzdienstleister organisatorische Resilienz aufbauen und sich für eine nachhaltige Zukunft rekalibrieren. Das bedeutet einerseits, sich von veralteten Prozessen zu trennen und andererseits, bei der strategischen Planung lieber auf flexible Mechanismen statt auf große Konzepte zu setzen. Wie können etablierte Finanzdienstleister am besten von den Herausforderungen datengestützter, digitaler Geschäftsfelder und technologiebasierter Geschäftsmodelle profitieren?

June 12, 2020
6
min read
Henning
Wagner
Founder & CTO

Gamechanger Open Banking: der Kunde ist König

Amazon, Facebook und Google erkannten bereits vor Jahren, dass Daten in Zukunft die wichtigste Währung einer digitalisierten Geschäftswelt sind. Dementsprechend richteten die amerikanischen Tech-Giganten bereits frühzeitig ihr Geschäftsmodell darauf aus, möglichst umfassende Daten über ihre Kunden zu gewinnen, um ihnen auf dieser Grundlage gezielt Produkte und Services auf ihren Geschmack zugeschnitten anbieten zu können. Auch für Banken ist der zielgerichtete Umgang mit Daten die notwendige Basis für eine langfristig erfolgreiche Kundenbeziehung. Die Zukunft für Finanzdienstleister lautet: Open Banking.

Open Banking bedeutet im Kern, externe Services von Drittanbietern komfortabel, einfach und modular zu integrieren. Im Idealfall können dadurch alle Bankgeschäfte abgebildet und auch notwendige oder gewünschte Zusatzservices direkt zugeschaltet werden. Open Banking stärkt nicht nur die Erhöhung der Kundensicht, sondern begünstigt den Abbau von Barrieren, während es gleichzeitig auf technologischer Ebene sichere Transaktionen garantiert. Technisch wird die Aggregierung von Daten und Operationen durch sog. APIs (Application Programming Interfaces) ermöglicht, die über offene Schnittstellen den dynamischen Informationsaustausch zwischen ehemals getrennten Anwendungen realisieren. 

Spätestens mit der europäischen Zahlungsrichtlinie PSD2, die Drittanbietern den Zugriff auf das Online-Banking-Konto und die Nutzung von Kontodaten eines Kunden nach dessen Einwilligung gestattet, ist klar: an API-Banking führt kein Weg vorbei. Es bietet mehr Auswahlmöglichkeiten und potentielle Kostenersparnisse für die Verbraucher: Kunden sind nicht länger gezwungen, Finanzservices als Komplettleistung über ihre Hausbank zu erhalten, sondern es können bei Bedarf Module von unterschiedlichen Anbietern ganz nach Bedarf kombiniert werden. Prozesse wie Identitätsprüfungen, Bonitätschecks oder zusätzliche Depots können dadurch viel schneller und hochintegriert angeboten werden. 

Servicestrategie: Flexibilität und integriertes Portfolio

Etablierte Banken versuchen genauso wie Fintechs, ihr Portfolio an die sich wandelnden Bedürfnisse des Kunden anzupassen. Trotzdem fällt es ihnen oft schwer, die Potentiale von digitalen Technologien schnell und flexibel in ihr  Geschäftsmodell zu integrieren. Die Folge: sie verpassen den Anschluss an jüngere Zielgruppen, die es längst gewohnt sind, Erledigungen schnell mal per App zwischendurch zu tätigen. Fintech-Startups dagegen können ihre Prozesse konsequenter an den Kundenwünschen ausrichten, da sie durch die Digitalisierung gewonnene Daten smarter verarbeiten und vernetzen und so wertvolle Insights für die Weiterentwicklung ihrer Produkte gewinnen. 

Fintechs haben es in kurzer Zeit geschafft, erfolgreich in alle Bereiche der Finanzdienstleistungsbranche vorzudringen und etablierten Instituten Marktanteile wegzunehmen, indem sie administrativen Aufwand reduziert und Services vereinfacht haben. Dabei gilt es im Zuge der digitalen Transformation hin zum Open Banking, Finanz-Portfolios nicht nur sinnvoll zu erweitern, sondern auch übersichtlich zu gestalten, um die Ansprüche der Kunden nach gleichzeitig schnellen und komfortablen Transaktionen zu bedienen.

Finanzinstrumente on demand: sofort und überall verfügbar – und das nur bei Bedarf

Angesichts der hohen Verbreitung von digitalen und interaktiven Services in allen Lebensbereichen verlangen Kunden heutzutage auch von ihren Finanzdienstleistern eine optimierte und personalisierte Nutzererfahrung und entsprechende Serviceangebote. Die Verfügbarkeit neuer Technologien, die Vernetzung von Marktteilnehmern und die Transparenz über Leistungen macht es so leicht wie nie zuvor, Kunden ein neues „Banking-Erlebnis“ zu bieten. Der Hauptaspekt eines Open-Banking-Ökosystems ist die On Demand-Fokussierung auf die Kundenbedürfnisse. Dies bedeutet, dass Banken ihre Kunden in Zukunft dort erreichen müssen, wo die Nutzer sich aufhalten. Hier gilt der Omnichannel-Ansatz: Kunden müssen unabhängig davon, wo sie sich bewegen, welches Endgerät oder welche Technologie sie verwenden, befähigt werden, alle Bank-Services nutzen zu können, egal, ob mobil, von zu Hause, als Website-Besucher oder App-Nutzer. 

Ein offenes Banking-Ökosystem verfügt über vielfältige Schnittstellen, von denen aus Nutzer auf Services zugreifen können. Durch sogenannte tailored finance-Produkte werden für jeden einzelnen Kunden individuelle Lösungsbausteine zugeschaltet. So kann sukzessive and additiv, in schrittweiser Begleitung des Kunden, Mehrwert geschaffen werden. Kunden werden nicht mit unnötigen Features und Möglichkeiten überfrachtet. Stattdessen wächst das Lösungsportfolio mit den Anforderungen des Kunden. Eine Win-Win-Situation: der Kunde erhält maßgeschneiderte Produkte genau zu dem Zeitpunkt, wenn er sie braucht und der Finanzdienstleister gewinnt wertvolle Erkenntnisse über das Verhalten und die Präferenzen seiner Kunden.

Erfolgsfaktor Nachhaltigkeit: Data Analytics für bewusste Konsumenten 

Viele Kunden erwarten von Unternehmen die Integration ihrer Services in ein gesamtheitliches Nachhaltigkeitskonzept. Trends wie ethische Banken verdeutlichen dies in der Finanzbranche. Nachhaltigkeit wurde in der Bankenbranche aber lange Zeit mit einem Verzicht auf Investitionen in die Waffen- und Rüstungsindustrie gleichgesetzt. Das Konzept umfasst jedoch ein wesentlich breiteres Spektrum an umweltfreundlichen, sozialverantwortlichen und ethischen Geschäftspraktiken. Die Studie “Nachhaltiges Leben 2020” von Spiegel Media und POLYCUR zeigt, dass sich Kunden zunehmend über Trend-Lebensstile wie bewusster Konsum, Fair Trade oder ökologische Erzeugung statt Marken definieren und Teil eines kollektiven Wir-Gefühl sein wollen. Große Finanzdienstleister haben in den letzten Jahren zunehmend erkannt, dass Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung keine reinen Feigenblätter sind, sondern wichtige Erfolgsfaktoren für ihr Geschäftsmodell darstellen, indem sie neue Servicebereiche erschließen.

Dabei richten sich moderne Finanzdienstleister, Fintechs und digital transformierte Banken an den Wertevorstellungen ihrer Kunden aus. Im verbundenen Ökosystem schaffen Banken Wertenetzwerke und formen eine Community, an der die Kunden aktiv teilhaben können. Durch Datenanalyse können beispielsweise jedem Kunden individuelle Nachhaltigkeits-Scores seiner Transaktionen vorgestellt werden. Data Scientists sind längst in der Lage, Transaktionen auf Aspekte der sozialen oder ökologischen Nachhaltigkeit hin zu untersuchen; die Ergebnisse der Analysen können Kunden, die bewusst nachhaltig leben wollen, wichtige Einblicke in die Fußabdrücke ihrer finanziellen Transaktionen bieten. 

Lessons learned: neue Rollen im Open-Banking-Ökosystem

Die Interaktionen zwischen Konsumenten und Banken finden heute, dank der Digitalisierung, regelmäßiger und professioneller statt. Konsumenten sind mittlerweile wesentlich informierter, wissen bereits im Vorfeld, was sie wollen, und erwarten von ihren Banken ein breites und trotzdem gut sortiertes Sortiment an Lösungen, das auch Produkte und Dienstleistungen anderer Anbieter mit einbezieht. Dieser neuen Rolle müssen Banken mit einem Angebot an transparenten und modularisierten Produkten gerecht werden, auf die die Prosumenten im Open-Banking-Ökosystem jederzeit und von überall her zugreifen können.

Open Banking bietet also sowohl alteingessenen als auch neuen Playern ein Spielfeld, auf dem sie sich entlang einer gesunden Konkurrenz weiter entwicklen können. Warum alles selber machen, wenn man im Finanz-Ökosystem der Zukunft voneinander profitieren kann? Etablierte Anbieter können sich weiterhin auf ihr Kerngeschäft wie zum Beispiel Kreditvergabe im Hintergrund konzentrieren, während sie die technologische Expertise und die optimierte Ausgestaltung der Touch Points innovativen Startup-Partnern überlassen. Große Banken profitieren so von neuen Anwendungsfeldern, während die Kunden ihre Banking-Services wie gewünscht passgenau erhalten. Denn eines bleibt gleich: ohne verlässliche Partner ist Erfolg schwer planbar.