Wie Fintech-Startups mit smarter Technologie und Kundenzentrierung punkten
Der disruptive Wandel der Bankenbranche wird durch die Corona-Krise beschleunigt. Entscheidende Faktoren sind neben strengeren Regulierungsvorgaben und dem Niedrigzinsumfeld vor allem die Konkurrenz durch zahlreiche junge Unternehmen im Finanzdienstleistungssektor – die sogenannten „Fintech-Startups“. Innovative und kostengünstige Geschäftsmodelle wie alternative Bezahlverfahren, Smart Hedging oder blockchainbasierte Tokenisierung von Sachwerten stellen eine enorme Herausforderung für etablierte Finanzdienstleister dar. Sind Fintech-Startups ein temporärer Hype oder der nötige Umschwung für die Bankenbranche?
Rasantes Wachstum der Fintech-Branche
Fintech-Startups beeindruckten in den letzten Jahren mit atemberaubenden Wachstumsraten. Laut einer Studie des Bundesfinanzministeriums wird sich das Marktvolumen der deutschen Fintech-Segmente Finanzierung und Vermögensmanagement von ca. 3 Milliarden Euro im Jahr 2015 auf geschätzte 80 Milliarden Euro im Jahr 2020 entwickeln. Ende 2019 zählte die Fintech-Branche in Deutschland bereits über 900 Unternehmen. Und auch in puncto Finanzierung ist die Branche stark im Aufwind. Risikokapitalgeber pumpten sowohl 2018 als auch 2019 mehr als eine Milliarde Euro in Fintech-Startups.
Fintechs bieten Personalisierung und Flexibilität
Viele Bankkunden, egal ob Privatpersonen oder gewerbliche Kunden, zeigen sich seit Jahren unzufrieden mit den Leistungen ihrer Bank oder Sparkasse. Vor allem die sogenannte digitale Customer Experience, also das Kundenerlebnis für die angebotenen Dienstleistungen im Web, führt oftmals zu großer Unzufriedenheit. Darüber hinaus haben Kunden häufig das Gefühl, keine personalisierten Angebote von ihrem Kreditinstitut zu erhalten.
Eine besonders kritische und unzufriedene Kundengruppe sind laut einer Studie der Unternehmensberatung EUROGROUP Consulting (EGC) die jüngste Zielgruppe, die sogenannte Generation Z bzw. die Digital Natives. Diese Kundengruppe zeigt sich besonders frustriert über die kleine Produkt- und Dienstleistungspalette, die ihr von ihrer traditionellen Hausbank in der Regel angeboten wird. Viele jüngere Kunden haben deshalb eine große Neigung, von ihrer Hausbank zu einem Fintech zu wechseln. Fintechs bieten ihnen bequeme und schnelle Erledigung ihrer Finanzgeschäfte per App und transparente Preis-Leistungsverhältnisse.
Banken und Fintechs - Kooperation oder Konfrontation?
Traditionelle Finanzdienstleister können Fintechs längst nicht mehr achselzuckend ignorieren. Zu zahlreich und zu professionell sind die Startups in der Finanzdienstleistungsbranche inzwischen geworden. Während viele Banken in der Anfangsphase des Fintech-Aufkommens noch mit Abschottung und Konkurrenzdenken reagiert hatten, macht sich seit einiger Zeit ein zunehmend kooperativer Geist im Sektor breit. Viele der etablierten Kreditinstitute haben inzwischen erkannt, dass sie von der Zusammenarbeit mit Fintechs profitieren können.
Vor allem in Sachen Technologieeinsatz und Kundenerlebnis können traditionelle Finanzdienstleister vieles von ihren jüngeren Wettbewerbern lernen. Individuell anpassbare und beliebig erweiterbare Systeme zur Prozessoptimierung reduzieren nicht nur Zeit und Kosten, sondern bieten eine komplett neue Infrastruktur für Finanzdienstleistungen. Open Banking unterstützt den Abbau von Barrieren im Datenaustausch und erhöht die Kontrolle der Kunden über ihre Daten. Die agile Denkweise von Fintechs bricht außerdem Silodenken in Abteilungseinheiten auf und schafft Raum für strategische Veränderungen. Eine Zusammenarbeit mit einem etablierten Kreditinstitut bietet aber auch Fintechs große Vorteile: Mit einem starken und erfahrenen Partner an der Seite können sie die Zahl ihrer Kunden und Produkte in kurzer Zeit international skalieren.
Große Hoffnungen aber schwierige Praxis
So sinnvoll die Kooperation zwischen etablierten Finanzdienstleistern und Fintech-Startups ist, so schwierig gestaltet sie sich häufig in der Praxis. Grund für die nicht selten reibungsgeladene Zusammenarbeit zwischen alten und jungen Playern sind die unterschiedlichen organisatorischen Hintergründe und das Auseinanderklaffen der Unternehmenskultur. Das Aufeinandertreffen einer alteingesessenen, prozesslastigen Großbank oder Sparkasse mit mehreren Tausend Angestellten - oft mit eher höherem Altersdurchschnitt - und eines dynamischen Fintechs mit meist nur ein paar Dutzend, oftmals jungen Mitarbeitern stellt erst einmal einen Kulturschock und Generation Clash dar. Was in einem agilen Arbeitsumfeld mal eben schnell vom Zaun gebrochen werden kann, benötigt in Banken eine feste Struktur und die Integration in auditierbare Prozesse, die viele StartUps wiederum nicht beherrschen.
So überrascht es nicht besonders, dass laut des Capgemini World FinTech Report 2020 sowohl Banken als auch Fintechs nicht zufrieden sind mit der derzeit üblichen Art ihrer Zusammenarbeit. Mehr als 70 Prozent der Fintechs gaben darin an, dass sie über die Prozesse in etablierten Banken frustriert seien. Auf Seiten der Banken gaben nur 21 Prozent an, dass ihre Systeme agil genug seien für eine Zusammenarbeit mit einem Fintech. Dazu kommen in Deutschland technologische Rückstände wie veraltete Systeme in Behörden oder schlechte Internetverbindung in ländlichen Regionen. Dementsprechend liegen die Ergebnisse der bisherigen Banken-Fintech-Zusammenarbeit weit hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurück.
Win-win: Kommunikation auf Augenhöhe
Das Tempo, mit dem sich gegenwärtig die Bankenbranche wandelt, wird in den kommenden Jahren nicht geringer. Fintechs werden deshalb mit ihrer technologischen Expertise und dem kundenzentrierten Omni-Channel-Ansatz eine wachsende Existenzberechtigung in der Branche haben. Banken tun gut daran, auch weiterhin die Zusammenarbeit mit Fintechs zu suchen, wollen sie von der Disruption der Branche profitieren. Wenn Sie mit Gründern kooperieren, kann das im besten Fall ihre Arbeitgebermarke stärken, ihnen bei der Anwerbung von Fachkräften helfen oder lukrative Beteiligungen einbringen.
Aber auch Fintechs müssen dazulernen, wenn Sie Banken als Partner gewinnen wollen. Unterschiedliche Sichtweisen sind eine potentielle Bereicherung, denn sie zeigen Stärken und Schwächen des eigenen Geschäftsmodells auf und erweitern auf diese Weise die fachliche Bandbreite für alle Seiten gleichermaßen. Langfristig können Fintechs von der Zusammenarbeit mit etablierten Unternehmen enorm profitieren, indem sie neue Märkte erschließen und ihre Produkte verbessern.